Stadtrat Vogel verteidigt Reaktion auf Beschwerden.

Die Leiterin des Kulturamts lässt zwei Aktbilder aus einer Ausstellung im Rathaus Köpenick entfernen und ein Sturm der Entrüstung bricht los. Kritiker beklagen einen Kotau vor muslimischen Zuwanderern.

Kulturamtsleiterin Annette Indetzki hat kurz vor Ostern zwei Nacktfotos, die zur Ausstellung „Foto Klub Forum“ im Rathaus Köpenick gehörten, abhängen lassen und dafür eine umstrittene Begründung geliefert. Noch vor einigen Monaten wäre der Vorfall allenfalls als Posse durchgegangen. Doch in Zeiten, in denen immer aufgeregter über die Integration von Zuwanderern und die Freiheit der Kunst debattiert wird, geht über das Bezirksamt ein, auch im Internet angeheizter, Sturm der Entrüstung hernieder. Dabei eine gute Figur zu machen, ist so gut wie unmöglich.

„Es kommen viele Menschen mit Migrationshintergrund in das Rathaus (z.B. wegen Einbürgerung), deren religiöse Gefühle durch Aktfotos nicht verletzt werden sollen“, schrieb Indetzki in einer E-Mail an den Color Club Berlin, der mit 32 Fotos vertreten war, darunter auch die beiden Aktfotos. Aus Protest holte der Color Club Berlin sämtliche seiner Bilder zurück. Nicht nur Wolfgang Hiob, dessen Motiv einer liegenden Nackten gezeigt worden war, spricht von „Zensur“ und „vorauseilendem Gehorsam“ gegenüber konservativen Muslimen. Ähnliche Eklats gab es zuvor um freizügige Bilderschauen in Lichtenberg und Marzahn.

Gegen Zensur

CR_LVS_Titel_TRKP_17Laut Bildungsstadtrat Michael Vogel (CDU), über dessen Tisch die Entscheidung gegangen war, wäre die ganze Aufregung ganz einfach zu verhindern gewesen. „Ich könnte mich darüber schwarz ärgern, dass der Passus über Muslime nicht gestrichen wurde“, sagte er in dieser Woche. „Natürlich kann man muslimischen Zuwanderern solche Bilder zumuten, auch wegen der Integration.“ Zu dem in dem Schreiben ebenfalls angeführten Argument, Mitarbeiterinnen hätten sich über die Kunstwerke beschwert, steht er hingegen. Auch wenn die Zahl der Beschwerdeführerinnen nicht bekannt ist. „Auf diese Beschwerden mussten wir reagieren, immerhin handelt es sich um ein Dienstgebäude, wo Amtsgeschäfte wahrgenommen werden“, so Vogel. Wiegen die Befindlichkeiten der Mitarbeiterinnen schwerer als ein Schlussbericht des Bezirksamtes von 2011 zur Kunst im Rathaus? Darin hieß es, dass der Bezirk auf „jedwede politische Zensur der dargestellten Bilder, Fotos und Gemälde verzichtet.“ Ein Jahr zuvor waren Aktbilder von Hiob aus einer Ausstellung im Rathaus abgehängt und später im Bürgerhaus Altglienicke gezeigt worden. Warum Hiob erneut bei einer Schau in den Rathausfluren vertreten war, will Vogel klären. Die Debatte im Netz nimmt weiter Fahrt auf. Auf Facebook kritisieren User eine falsch verstandene Weltoffenheit des Bezirksamtes und beschwören die Gefahr vom Weg in eine „neue Diktatur“ herauf.

Nils Michaelis / Bild 1: Archiv/Nils Michaelis / Bild 2: Wolfgang Hiob