Um wieder mehr Lehrkräfte in Berliner Schulen zu bekommen, werden die Forderungen nach Verbeamtung immer lauter.
Die Schulferien sind fast vorbei. Präsenzunterricht ist nach der langen Zeit der Corona-Einschränkungen an Berliner Schulen ab Montag angesagt. Damit in den Klassenräumen alles wieder reibungslos funktioniert, braucht es Lehrer. Doch die wichtigsten Akteure in Berliner Schulklassen werden immer mehr zur Mangelware. Groß ist die Not, sagen die Schulleiter, die Stundenpläne hin- und herwälzen, um den Personalmangel so gut wie möglich aufzufangen. Keine Gefahr in Sicht, findet die Senatsverwaltung für Bildung.
Tausende Berliner Lehrer fehlen
700 Lehrer haben zum neuen Schuljahr ihren Dienst an Berliner Schulen quittiert, berichtet der Tagesspiegel. Das sei nicht außergewöhnlich, sagt Senatssprecher Martin Klesmann auf Nachfrage des Berliner Abendblattes. „In der Größenordnung kam es auch in der Vergangenheit jährlich zu Kündigungen.“ 33.000 Lehrer hat Berlin. Wie viele bräuchte das Land? Das könne jetzt noch nicht gesagt werden, es würden derzeit noch Einstellungen laufen, antwortet Klesmann. Doch Hochrechnungen zeigen: Die Zahlen gehen in die Tausende. „Jedes Jahr fehlen in Berlin 2.000 Lehrkräfte“, lässt Tom Erdmann, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Berlin (GEW), wissen.
Verbeamtung alternativlos
Damit Schulen in der Hauptstadt für Berliner Lehrer wieder attraktiver werden, fordern Verbände und Politiker die Wiedereinführung der Verbeamtung. In der Hauptstadt wurde diese im Jahr 2004 unter der Regierung von Klaus Wowereit (SPD) abgeschafft. Der Verband Bildung und Erziehung etwa kritisiert seit Jahren, dass Berlin Lehrkräfte aus ideologischen Gründen nicht verbeamtet. „Vor allem in Grundschulen können offene Stellen nicht mit ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden, weil viele junge Lehrkräfte in andere Bundesländer abwandern, um sich dort verbeamten zu lassen“, sagt die Vorsitzende Heidrun Quandt.
Auch der Interessenverband Berliner Schulleitungen (IBS) ist davon überzeugt. „Man muss das Beamten-Modell nicht gut finden, aber es ist alternativlos“, sagt IBS-Vorsitzende Astrid-Sabine Busse. Seit 1982 ist sie im Schuldienst, seit 1992 leitet sie eine Grundschule in Neukölln. Mittlerweile werden an ihrer Schule fast nur noch Quereinsteiger eingestellt. „Es ist gut, dass wir sie haben“, sagt Busse. „Aber sie dürfen nicht in der Überzahl sein. Quereinsteiger müssen immer ausgebildete Pädagogen an ihrer Seite haben.“ 2.500 Quereinsteiger bereiten sich derzeit auf den Lehrerberuf vor. Sieben Prozent aller lehrbefähigten Kräfte stehen also noch unausgebildet vor den Klassen.
Koalition uneinig
Bei Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nachgefragt, sieht auch diese die Verbeamtung als Lösung, um den Lehrerberuf in Berlin wieder attraktiver zu machen. Immerhin ist Berlin das einzige Bundesland, das Lehrern diesen Status nicht verpasst. Die Koalitionspartner (Grüne und Linke) allerdings sind dagegen. Genau wie die Berliner GEW, deren Vorsitzender Tom Erdmann selbst Mitglied der Partei Die Linke ist. Er erklärt: „Wir können die Verbeamtung nicht fordern. Es würde, entsprechend des Alters und der Voraussetzungen jeder individuellen Lehrkraft, große Gerechtigkeitslücken geben. Wir wollen ein einheitliches Dienstrecht.“
Vielmehr fordert die GEW mehr Gehalt für Lehrer in Form „einer vollen Ausschöpfung des Tarifvertrages“ vom Land Berlin. Außerdem werde derzeit an einem Projekt gearbeitet, das die Klassengröße im Tarifvertrag regeln soll. „Das Land Berlin kompensiert das Personalproblem mit zu großen Klassen“, sagt Erdmann. Und genau das führe zu einer höheren Arbeitsbelastung, was Lehrer ebenso in andere Bundesländer treibe. „Brandenburg zum Beispiel hat eine geringere Unterrichtsverpflichtung und weniger Brennpunkte. Es ist also nicht nur die Verbeamtung, die lockt.“ Um langfristig den Lehrermangel aufzufangen, müssten außerdem die Ausbildungszahlen steigen und die Universitäten ertüchtigt werden.
Praxis und Theorie
Dass der Personalmangel für die Unterrichtsplanung an Berliner Schulen ein Risiko darstellt, sieht die Senatsverwaltung nicht. „Eine solche Gefahr können wir nicht erkennen. Berlin hat durch viele zusätzliche Förderangebote (Sprachförderung, Inklusion) an vielen Schulen eine rechnerische Ausstattung von deutlich über 100 Prozent“, erläutert Senatssprecher Martin Klesmann. „Statistik ist ein weites Feld“, sagt dazu Schulleiterin Astrid-Sabine Busse. Praktisch fehle es massiv an Fachpersonal. Lehrer seien knapp wie Goldstaub. Auf ihr Personalprogramm verlässt sie sich jedenfalls nicht. „Das zeigt mir jeden Tag etwas anderes an, ohne dass jemand eingestellt oder entlassen wurde.“
Datum: 4. August 2021, Text: Sara Klinke, Bild: Getty Images/iStock/Wavebreakmedia