In Spindlersfeld sollen Bäume den Häusern weichen.
Mit solch einem Plan hatte keiner der Bewohner in der Spindlersfelder Siedlung gerechnet. Richtig schön grün ist es hier in den beiden Mietshaus-Karrees zwischen Färberstraße, Ahornallee und der Ottomar-Geschke-Straße.
Zwischen den Häusern, in denen rund 400 Menschen leben, gibt es zwei große, grüne und ruhige Innenhöfe mit riesigen, jahrzehntealten Bäumen, ausladenden Sträuchern und Stauden. Auf den Rasen- und Wiesenflächen gibt es Platz zum Relaxen und viel Spielfläche für Kinder mit Schaukeln, Tischtennisplatten, Wippen und allem, was dazu gehört.
Wer vom Balkon seiner Zwei- oder Dreizimmer-Wohnung auf die rund 50 mal 50 Meter großen Innenhöfe hinausschaut, blickt in naturgrüne Oasen voller Ruhe. „Hier kommen Füchse vorbei, leben Waschbären und flattern in der Dämmerung Fledermäuse“, berichtet Nachbar Fabian Ewald.
Lange im Bestand.
Mit diesem großzügig gestalteten Idyll, das hier seit Ende der 50er-Jahre gewachsen ist, soll es aber bald vorbei sein. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo ist hier Eigentümer und plant ergänzende Wohnhäuser auf den Grünflächen.
Die Vermessungsarbeiten haben dazu bereits in diesem Sommer stattgefunden. Auf Nachfrage gab die Degewo zwar keine Bestätigung, aber wenige Tage später lag ein Handzettel in den Briefkästen, der die schlimmsten Befürchtungen der Bewohner bestätigte: Die Degewo will hier zusätzliche Häuser in den Höfen bauen. Im Zuge der Baumaßnahmen müsste dann auch ein großer Teil der Bäume und Grünflächen weichen. „Ein unglaublicher Verlust. Nicht nur für Mensch und Tier, sondern auch für die Zukunft Berlins, dessen Klimaziele nur durch den Erhalt solcher bewaldeten Höfe erreicht werden können“, sagt Nachbarin Sina Rehberg, die hier bereits seit zwanzig Jahren lebt und sich jetzt der Nachbarschaftsinitiative angeschlossen hat, die die Verdichtung in Spindlersfeld auf ein nachhaltiges Niveau beschränken und die Zerstörung von Lebensraum minimieren will.
Die Degewo bestätigte die Bebauungspläne auf Anfrage des Berliner Abendblattes: „Wir planen zwei neue Wohngebäude, je eines pro Blockinnenbereich“, erklärte dazu Degewo-Pressesprecher Paul Lichtenthäler.
Die Wohnungsanzahl sei dafür zwar noch nicht endgültig festgelegt. In Abstimmung mit dem Stadtplanungsamt bestehe aber grundsätzliches Baurecht. In Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit kennt die Degewo auch Argumente für ihren Plan. „Innerstädtische Ergänzungen im Baubestand ist ein wesentlicher Beitrag zur Verringerung des Flächenverbrauchs und dient damit dem Klimaschutz“, sagt Lichtenthäler, der den Vorwurf des steigenden Bedarfs an Kita- und Schulen oder Arztpraxen durch den Zuzug zusätzlicher Nachbarn nicht gelten läßt.
„Bei größeren Projekten an anderer Stelle planen wir solche infrastrukturellen Angebote durchaus mit. Hier ergänzen wir den Bestand um wahrscheinlich 50 Wohnungen. Aus dieser Zahl läßt sich kein Bedarf ableiten“, so Lichtenthäler.
Jetzt Mitgestalten.
Für die Nachbarn Fabian Ewald, Sina Rehberg, Johannes Kröning und ihre Mitstreiter geht es nun nicht nur um den Erhalt der grünen Innenhöfe in ihrem Wohnblock. Neben einer Unterschriftenaktion auf der Internetplattform openpetition.de fordern sie die Bezirksverordnetenversammlung und das Land Berlin dazu auf, eine nachhaltigere Bebauungspolitik zu verfolgen, die nicht die Natur zerstört. „Es kann nicht sein, dass hier in der Region Tausende Wohnungen gebaut werden und wir das Gefühl haben, dass die Erweiterung der Infrastruktur dazu nicht berücksichtigt wird“, sagt Bewohner Johannes Kröning.
Auch die Degewo solle zudem geeignetere Alternativen zur Schaffung des dringend benötigten Wohnraums finden. Mehr Infos zur Unterschriftenliste und zu den Entwicklungen im Wohngebiet gibt es auf der Webseite der Initiative.
www.lebenswertesspindlersfeld.de/
Datum: 28. Oktober 2019, BIlder und Text: Stefan Bartylla