Porträt: Berlins verrückteste Ü70-Big-Band sucht viele Mitmusiker.
Bernd Schönherr aus Schöneberg und Martin Höner aus Spandau sind Persönlichkeiten, für die die Bezeichnung „Berliner Originale“ sehr zutreffend ist. Das Gespräch über ihre Pläne für eine Ü70-Rockband fühlt sich an wie eine Comedy-Veranstaltung. Trotz ihres Alters jenseits von Mitte Siebzig frotzeln die zwei angehenden Rocker wie lebenslustige Teenager.
Inspiration Heino
Sie zeigen vergnügt den sogenannten Stinkefinger und posieren mit einem Berliner Bären vor ihrem Stammlokal, dem Restaurant Olivengarten im Grenzgebiet von Wilmersdorf und Schöneberg. Bernd Schönherr gibt den Wortführer und nimmt seinen Mitmusiker freundschaftlich auf die Schippe: „Er ist mir aufgedrückt worden. Ich konnte mir ihn nicht aussuchen.“ Martin Höner schweigt besonnen und kontert gelegentlich mit trockenem Humor. Wer mit ihnen musizieren möchte, sollte wohl besser locker sein und Spaß verstehen. Es ist aber auch zu merken, dass sich hinter den Sprüchen der zwei knurrigen Berliner viel Herz und sensible Aufmerksamkeit für andere Menschen verbirgt. Einen Namen hat das Musikprojekt, das Bernd Schönherr sich ausgedacht hat, schon: „Alte Socken rocken.“ Jedes Mitglied muss mindestens 70 Jahre alt sein. Auch sonst klingt das Band-Konzept ziemlich ungewöhnlich. „Wir wollen deutsche Volkslieder verrocken“, erzählt Schönherr. Zum Beispiel „Der Mond ist aufgegangen“, „Hänschen klein“ oder „Schwarzbraun ist die Haselnuss“. Die wilde stilistische Kreuzung ist inspiriert vom Schlagersänger Heino. „Eigentlich hasse ich Heino, aber seine neuen Platten, auf denen er Lieder von Rammstein und den Ärzten singt, finde ich echt stark. Noch besser als die Originale“, so Schönherr. Zudem soll die Band ungefähr zwanzig Mitglieder haben. „Jedes Instrument ist willkommen. Es hat sich schon eine Querflötistin gemeldet. Warum auch nicht? Jethro Tull haben gezeigt, dass Rockmusik und Querflöte zusammenpassen können“, argumentiert Bernd Schönherr.
Geld nebensächlich
Er selbst spielt Schlagzeug. Martin Höner bläst die Tuba. Beide sind seit Jahrzehnten als Jazzer aktiv und haben ungewöhnliche Berufswege hinter sich: Höner war Bundeswehrleutnant, Eiscremeverkäufer in Amerika, Lehrer und Schuldirektor. Heute ist er Schauspieler und hat viel in Film und Fernsehen mitgewirkt. Bernd Schönherr arbeitete bei der Flugsicherung und als Verkäufer von Versicherungen und Branchenbuchanzeigen. In den 50er-Jahren hat er die New Omega Jazzband mitgegründet. Zum Proben wollen sich die „alte Socken“ in einem Schöneberger Jugendheim treffen. Wer mitmachen will, kann sich telefonisch (0177 30 20 500) bei Bernd Schönherr melden. „Es geht uns nicht ums Geldverdienen, sondern um den positiven Magnetismus der Musik“, sagt er. „Zusammen rocken wir den Rest der Welt.“
Text & Bild: Felix Enzian