Bauhelm

Warum sich die Union-Fans ein eigenes Wohnzimmer gebaut haben

Seit der SC Union 06 Oberschöneweide (von seinen Fans nur Union-Ob. genannt) 1920 die neue Spielstätte in der Sadowa bezog, bauten die Unioner immer wieder am Stadion, ersetzten so manches altersschwache Provisorium durch ein neueres.

Das Stadion an der Alten Försterei war eben zu keiner Zeit die Heimat des großen Geldes. Zur Erinnerung: Erst im Jahr 2000 erhielt der Platz eine Flutlichtanlage, kurz darauf die kleine Sitzplatztribüne ein Dach.

Und eines stand ebenfalls fest: Die Unioner wollten gar nicht, dass ein Milliardär aus dem Goldland in Köpenick seinen Fußball-Eigentumstempel hochzog. Stattdessen wollten sie hier ihr eigenes Wohnzimmer selbst bauen und einrichten.

Mehrere Geldgeber

Nun gingen sie ans Planen der Finanzen – und kamen zu dem Schluss: Das größte Bauvorhaben in der Historie des Stadions An der Alten Försterei wird voraussichtlich 3,2 – statt der vom Herrn Sportsenator veranschlagten 20 – Millionen Euro kosten.

2.5 Millionen Euro für die Sanierung und Überdachung der Stehplatztribünen würde die Stadionsbetriebs-GmbH beisteuern. Hinzu kamen kurzfristig 300.000 Euro vom Bezirk Treptow-Köpenick als Eigentümer der Sportanlage, die vor allem in den Einbau der erwähnten Rasenheizung fließen sollte.

Viel Einsatz

Zum Zweiten erhielt Unions Anhängerschaft die Möglichkeit, sich in unentgoltenen Arbeitsstunden an den Bauarbeiten zu beteiligen.

Unter dem Motto „Kiek an, wir bauen!“ legten die Eisernen los, ehrenamtlich für ihren Verein zu knuffen. Aus den geplanten drei wurden am Ende 13 Monate, das Motto lautete nun: „Kiek an, wir bauen immer noch!“.

Der Enthusiasmus der arbeitenden Union-Fans wurde immer größer statt kleiner. Am Ende beteiligten sich exakt 2.333 Stadionbauer. An 311 Bautagen leisteten sie mehr als 140.000 unbezahlte Arbeitsstunden in ihrem Wohnzimmer und schenkten ihrem Verein damit einen Wert von vier Millionen Euro.

Privat finanziert

Unter dem Motto: „Wir verkaufen unsere Seele. Aber nicht an jeden“ konnten ausschließlich Union-Mitglieder vom 1. bis 31. Dezember sogenannte „Alte-Försterei-Aktien“ für 500 Euro pro Stück erwerben.

Bis Abschluss der Zeichnungsfrist am 31. Dezember 2011 gingen 5.473 Aktien, also 43,88 Prozent des Grundkapitals des Stadionbetreibers in Streubesitz über.

Einhergehend mit der Aktion stieg die Mitgliederzahl während dieses Zeitraums rasant an und erreichte erstmals die Marke von 10.000. Und wieder einmal unterstützten mehrere Hundert ehrenamtliche Stadionbauer die notwendigen Abriss- und Umbaumaßnahmen.

Danach begann der Neubau der multifunktionalen Haupttribüne. Seit seiner Fertigstellung ist das Stadion An der Alten Försterei ein komplett privat finanziertes Fußballstadion.

Damit ist zugleich sichergestellt, dass die Arena nie den Namen eines Sponsoren tragen muss.

Dieser Text entstand mit Unterstützung des Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlags, Bild: imago/Camera 4