Zwischen Moabit und Charlottenburg, umgeben von Spree, S-Bahn und Tiergarten, befindet sich ein ganz besonderer Kiez: das Hansaviertel. Hier sieht jedes Haus anders aus, als hätte es sein eigenes Gesicht. Die Geschichte dieser Siedlung mit ihren knapp 6.000 Bewohnern ist bedeutsam.
Es war im November 1943, als die alliierte Luftwaffe neben vielen anderen Bezirken der Stadt auch etwa zwei Drittel der Wohnbauten im Hansaviertel zerstörte. Von den 343 Gebäuden lagen am Ende des Zweiten Weltkrieges etwa 300 in Trümmern, die übrigen waren schwer beschädigt. Die Bombardierungen kosteten viele Menschen das Leben. In Schutt und Asche lag das im Jahr 1874 auf einem Wiesengelände entstandene alte Hansaviertel also nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch es sollte zum Symbol für Berlins Erneuerungswillen werden.
Architektur-Schau der Superlative in West-Berlin
Um die Wohnungsnot zu lindern, konzipierte der West-Berliner Senat mit der Internationalen Bauausstellung 1957 (Interbau 57, kurz: IBA 1957) eine Architektur-Schau der Superlative. In ihrem Zentrum stand der Neubau eines ganzen Stadtviertels, was in dieser Größenordnung nie zuvor Gegenstand einer Ausstellung war. Im weitgehend kriegszerstörten Hansaviertel wurden auf 25 Hektar etwa 1.300 Wohneinheiten, eine Bücherei, zwei Kirchen, eine Kindertagesstätte, eine Grundschule und ein Einkaufszentrum neu errichtet.
Als innerstädtisches Trümmergebiet sollte das Hansaviertel Symbol des Erneuerungswillens der Stadt Berlin werden. Zu einem Wettbewerb im Jahr 1952 wurden 53 Architekten aus 13 Ländern eingeladen, alle waren Verfechter westlich-moderner Vorstellungen vom „Neuen Bauen“. Nach ihren Entwürfen wurde im Jahr 1956 mit der Neugestaltung des Hansaviertels begonnen.
Das Hansaviertel wurde gänzlich neu errichtet
Das Hansaviertel wurde nicht auf alten Ruinen wiederaufgebaut, sondern gänzlich neu errichtet. Mit dem Bebauungsplan von 1953 wurde entschieden, dass sich der Wiederaufbau auf den südlichen Teil des Hansaviertels beschränken sollte, also auf etwa die Hälfte des alten Areals. Insgesamt wurden 159 Altgrundstücke völlig neu aufgeteilt und das Straßen- und Versorgungsnetz stark verändert.
Schließlich entstanden drei große Gebäude-Gruppen. Das waren zum einen Einfamilienhäuser, zum anderen die Zeilenbauten mit dem Grundriss eines langgezogenen Dreiecks und außerdem die Punkthäuser mit quadratischen Grundrissen. Was zu damaliger Zeit hochmodern war, ist heute in die Jahre gekommen. In den vergangenen Jahren wurden ausgiebige Analysen hinsichtlich der städtebaulichen und sozialen Missstände im Hansaviertel durchgeführt und Lösungsansätze entwickelt. In den kommenden Jahren geht es darum, das Hansaviertel wieder zu einem attraktiven Viertel zu machen.
Viele Ziele für einen kurzweiligen Spaziergang
Die Voraussetzungen für einen kurzweiligen Spaziergang durch das Hansaviertel stehen ziemlich gut, gibt es doch einige besuchenswerte Schätze wie die Hansabibliothek, die sogar unter Denkmalschutz steht, den Hansaplatz als erster Mittelpunkt des Viertels mit U-Bahn-Anbindung und Wasserbecken, das Grips-Theater an der Altonaer Straße und viele architektonische Besonderheiten, zu entdecken. Im direkt anliegenden Tiergarten mit seiner Arten- und Naturvielfalt baumelt die Seele besonders gut.
Datum: 12. Mai 2021, Text: Sara Klinke, Bild: IMAGO/Jürgen Held