Kindl Brauerei mit Sudpfannen

Als im Jahr 1930 in der Kindl-Brauerei im Rollbergkiez noch Bier gebraut wurde, als schnaubende Rösser schwere Fässer von Neukölln aus in die ganze Stadt brachten, wer hätte sich da vorstellen können, dass hier einmal ein Zentrum für zeitgenössische Kunst entstehen würde?

Das heutige Industriedenkmal wurde zwischen 1926 und 1930 nach dem Entwurf der Architekten Hans Claus und Richard Schepke im Stil des Backsteinexpressionismus der 1920er-Jahre erbaut. Das Ziel war klar: Dieses Brauhaus sollte das schönste, prächtigste und modernste seiner Art in ganz Europa sein. Nun, ob es denn tatsächlich so gekommen ist, liegt im Auge des Betrachters.

Doch die schmalen, hohen Fenster auf der rotbraunen Backsteinfassade, der imposante quadratische Turm und die zwei Spitzbögen am Eingang haben schon einige optische Besonderheiten an sich. Das Sudhaus der Brauerei mit seinen sechs riesigen Sudpfannen aus Kupfer – damals übrigens die größten Europas – war einst als „Palast Berliner Bierkultur“ bekannt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Brauereigebäude leider ziemlich zerstört, gebraut wurde hier ab 1947 jedoch weiter. Der Wiederaufbau erfolgte unter der Leitung des Architekten Gerhard Fritsche, der in Berlin auch das Kino „Zoo Palast“ gestaltete.

Vision und Leidenschaft

Im Sudhaus lässt sich noch heute der Glanz aus vergangenen Tagen erahnen. Die Kupferkessel sind blank poliert, die Treppe, die Empore, alles sieht aus als wäre die Zeit stehengeblieben. Bis zum Jahre 2005 wurde hier das Berliner Kindl gebraut, dann wurde die Produktion nach Hohenschönhausen an die Indira-Gandhi-Straße verlegt. Nach dem Umzug der Brauerei wurde das Gebäude nur sporadisch für Ausstellungen, Performances oder Partys genutzt. Der Umbau des Ensembles war die Idee des Sammlerehepaares Salome Grisard und Burkhard Varnholt, das das Gebäude im Jahr 2011 mit der Auflage einer kulturellen Nutzung kaufte und sogleich eine Vision dafür hatte: die Errichtung eines Produktions- und Diskussionsortes zeitgenössischer Kunst, der schnell auf junge künstlerische Entwicklungen reagieren kann.

Spektakulärer Ausstellungsort

Seit 2016 also zeigt das Kindl – Zentrum für Zeitgenössische Kunst wechselnde Ausstellungen internationaler Tragweite. Neben Malerei, Skulptur und Performance bilden Film- und Videopräsentationen einen weiteren Schwerpunkt. Der Gebäudekomplex des ehemaligen Brauereigeländes verfügt über mehr als 1.600 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die für thematische Ausstellungen und Soloprojekte genutzt werden.

Bedeutende Künstler

Für das imposante Kesselhaus mit seinen rund 20 Metern Höhe und Seitenlänge und den an den Wänden erhaltenen Spuren vorheriger Nutzung haben internationale Künstler ortsspezifische Arbeiten realisiert, bisher Roman Signer (2014 / 2015), David Claerbout (2016 / 2017), Haegue Yang (2017 / 2018), Thomas Scheibitz (2018 / 2019), Bettina Pousttchi (2019 / 2020) und Nik Nowak (2020 / 2021). Die drei Etagen des ehemaligen Maschinenhauses bieten auf jeweils rund 400 Quadratmetern Ausstellungsflächen für Einzel- und Gruppenausstellungen sowie den 2020 neu eingerichteten M1 VideoSpace.

Im ehemaligen Sudhaus bewirtet heute das „Café Babette“ die Besucher – in den wärmeren Monaten auch draußen im Biergarten unter schattenspendenden Platanen. 

Text: Sara Klinke, Bild: Anne Herdin