Blutwurstritter

Marcus Benser, Chef der Blutwurstmanufaktur in Rixdorf, übt das Handwerk des Metzgers aus.

Handwerksbetrieb oder Manufaktur darf sich nur nennen, wenn das Gros der ausgeführten Tätigkeiten mit den Händen verrichtet wird. Körperlich anstrengend und schmutzig, könnte man meinen. Nicht für Marcus Benser, dessen Blutwurstmanufaktur am Rande des malerischen Böhmischen Viertels ein Mekka für Fleischliebhaber ist, denen Tierwohl und Qualität wichtig sind. Die kleine Fleischerei, die gleichzeitig Partyservice, Catering, Imbiss und Webshop ist, ist einer jener rarer werdenden Handwerksbetriebe, denen industrielle Fertigung und Discounterware zusetzen. So gibt es in Berlin inzwischen nur noch knapp mehr als 50 klassische Fleischereien.

Siebente Generation

Bensers Büro befindet sich direkt neben Produktionsstätte und Kühlhaus. Eine Glaswand trennt Theorie und Praxis, trennt Papierstapel von der Hälfte eines Fränkischen Weidebullen. An der Wand hängt eine Fotographie von seinem Urgroßvater Alfred aus dem Jahr 1903. Benser ist die siebente Generation einer Fleischerfamilie aus Weimar. Aufgewachsen ist er in der Wurstküche, als Heranwachsender half er beim Abbinden der Würste. Dass er den Beruf des Fleischers lernt, schien ausgemacht. Dann kam die Wende und Familie Benser suchte im Westen ihr Glück. Sohn Marcus entschied sich für eine Banklehre.

Doch die Schreibtischarbeit schmeckte ihm nicht und wenig später begann er in seinem heutigen Betrieb, die 1902 von Familie Gleich gegründete Fleischerei, eine Lehre. Der damalige Inhaber erkannte schnell das Talent seines Lehrlings. Nach der Gesellenprüfung beteiligte er Benser am Unternehmen, dem – mittlerweile eine GmbH – er als Geschäftsführer vorsteht. Anknüpfend an die Gleichsche Tradition perfektionierte der Betrieb die Blutwurstproduktion.

Und wo der Beruf Berufung ist und die Arbeit Leidenschaft, wird aus einem Fleischermeister ein Blutwurstritter. Vor einigen Jahren wurde Benser in Frankreich für seine einmalige Rezeption tatsächlich mit dem überaus renommierten Titel „Ritter der Blutwurst“ gekürt. Thüringischer Majoran, brasilianischer Pfeffer und Nelken aus Sansibar sind nur ein Teil des Gewürzschatzes, der die Wurst so besonders macht. Zwei Euro kostet eine Wurst, die exakt und jeden Tag 190 Gramm wiegt. Zu viel für Menschen, die beim Discounter einkaufen.

Guter Name

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Dass der Trend zu vegetarischer oder gar veganer Ernährung, der die Stadt seit Jahren durchzieht, Schuld an dem Rückgang der Metzgereien sei, glaubt Benser dagegen nicht. Im Gegenteil: „Menschen beginnen wieder, sich Gedanken über das zu machen, was sie essen. Das ist positiv für uns.“ Der Fleischer-Meister bürgt mit seinem Namen für Geschmack und Qualität. „Wer das heute noch macht, macht das aus Überzeugung.“ Und das schönste an seinem Beruf? „Ich sehe jeden Tag, was ich gemacht habe. Die Wertschätzung der Kunden kann man in Geld nicht messen.“ Zehn Menschen sind in der Blutwurstmanufaktur beschäftigt, der Altersdurchschnitt ist niedrig, Dass das Metzgerhandwerk nicht altbacken sein muss oder gar patriarchalisch, verkörpert Benser vollkommen.

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 „Die Wertschätzung der Kunden kann man in Geld nicht messen.“

Marcus Benser

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Er ist überzeugt, dass sich wieder mehr Menschen dem Handwerk zuwenden werden, in einer Gesellschaft, die immer unsicherer wird und inflationären Studienabschlüssen, mit denen man alles machen kann und nichts. Und seine Kinder? „Das schwankt, Tierarzt, oder Rechtsanwalt, mal sehen.“ Auch wenn niemand aus seiner Familie die Blutwurstmanufaktur übernehmen sollte, ist er sicher, dass das Metzgerei-Handwerk niemals ausstirbt. Dafür gebe es genug Menschen, die wissen, was gutes Essen ist.

Text: Christina Lopinski, Bilder: Stefan Bartylla (Aufm.), M. Handelmann für B.O.B. – The Best of Berllin (3), Chr. Lopinski