– Meinung –
Kolumne: Der Journalist und Publizist Roland Tichy über Strom ohne Atom, Energieknappheit und warum wir bald doch wieder AKWs brauchen.
Jetzt wird der Strom billiger, jubelte die Politikerin der Grünen, Katrin Göhring-Eckardt am Tag, an dem den letzten drei Kernkraftwerken in Deutschland der Stecker gezogen wurde. Denn jetzt könne „der Atomstrom nicht mehr die Netze verstopfen“.
Dummerweise erhöhten just in jenen Tagen viele der großen Stromversorger die Preis. Fast um die Hälfte mehr zahlen müssen die Verbraucher in Nordrhein-Westfalen ab Juni. Eine peinliche Pleite also für die Kernkraftgegner.
Doch Rettung naht. In diesen Tagen verbreitet die ARD, dass die Preise sogar sinken sollen. Die Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, Barbie Kornelia Haller, bilanziert: „Die Auswirkungen sind extrem gering.“ Und die Tagesschau jubelte: „AKW-Aus lässt Strompreis nicht steigen“.
Hat Deutschland eine Art Wunderwaffe gegen Energieknappheit gefunden? Normalerweise, wenn weniger Kartoffeln geerntet werden, werden die Knollen deutlich teurer. Nur beim Strom scheint es anders zu sein. Wer hat nun Recht – die Grünen, für die der Strom Netze verstopfen kann wie eine Rolle Klopapier das stille Örtchen, obwohl der Strom doch eigentlich körperlos ist? Gelten in Deutschland auch andere physikalische Gesetze?
Die Antwort steht bei der ARD im Kleingedruckten. Denn die Atomkraftwerke wurden nicht überraschend ausgeschaltet, sondern im Streckbetrieb – langsam mussten sie ihre Leistung herabfahren. Deshalb war am Ende auch kaum mehr Atomstrom im Netz. Oder halt! Da muss man genauer sein: Atomstrom aus Deutschland. Denn Ersatz kommt aus französischen Kernkraftwerken. Die waren zwei Jahre schwach auf der Brust, weil in der Corona-Phase die Wartung nicht durchgeführt wurde und später nachgeholt werden musste.
Jetzt laufen sie volle Pulle und verkaufen ihren Verstopfstrom glänzend nach Deutschland. Und außerdem erklärt Barbie Kornelia Haller von der Bundesnetzagentur etwas kleinlaut: Es ist das Frühjahr. Die Zeit der sogenannten „Dunkelflaute“ ist jetzt vorbei: Von Oktober bis März liefern wegen des niedrigen Sonnenstands die Photovoltaikanlagen kaum Saft, und auch die Windräder an Land drehen sich nicht. Dieses Jahr war der April zwar ungewöhnlich kalt, aber natürlich scheint die Sonne länger und stärker als im Dezember. Jetzt also kommt die gute Zeit der Erneuerbaren Energien – leider nur bis, tja: bis November. Dann brauchten wir wieder Kernkraftwerke. Die stehen halt jetzt in Frankreich.
Text: Roland Tichy