Die Einsparungen im kommenden Doppelhaushalt bekommen die Berliner Schulen heftig zu spüren. Ihr jährlicher Verfügungsfonds soll von 28.000 auf 3.000 Euro gekürzt werden.
Moderne Möbel im Klassenzimmer? Oder bessere digitale Angebote? Darauf werden viele Berliner Schüler in diesem Jahr vergeblich warten.
Der rot-grün-rote Senat will den Verfügungsfonds der Schulen im laufenden Jahr von 28.000 Euro auf 3.000 Euro reduzieren. Dieses Geld konnten Schulen bislang flexibel einsetzen, meist floss es in kleinere Anschaffungen und Reparaturen, pädagogische Zusatzangebote oder Fortbildungen. Die Bildungsverwaltung verweist laut rbb24 auf „notwendige Einsparungen“ in den Haushalten aller Senatsverwaltungen.
Die Haushaltsberatungen sind längst nicht abgeschlossen, doch der Unmut ist groß. Und das zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Als Astrid-Sabine Busse im Dezember Bildungssenatorin wurde, keimte Hoffnung auf: Würde die frühere Lehrerin durch ihre Praxiserfahrung für den nötigen Ruck in der Berliner Schulpolitik sorgen?
Enttäuschte Hoffnungen
Gut 100 Tage später zählen ausgerechnet die Schulen zu den Gebieten, wo der Senat besonders in der Kritik steht. Das zeigt der Warnstreik am 7. April, zu dem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Lehrkräfte aufruft. Das Ziel ist ein Tarifvertrag, der die Verkleinerung der Klassen festlegen soll.
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Die Kürzung des Verfügungsfonds ergänzt die Ansammlung enttäuschter und unerfüllter Hoffnungen. Laut Bildungsverwaltung können von den verbleibenden 3.000 Euro vorerst keine kleineren Instandhaltungsmaßnahmen bezahlt werden. Auch die Beschaffung von Ausstattung pausiert.
Die Opposition im Abgeordnetenhaus ist empört. „Seit Jahren belegt Berlin im Bildungsmonitor die hinteren Plätze und bewegt sich nicht von der Stelle, nun soll dies auch noch betoniert werden“, so Paul Fresdorf von der FDP-Fraktion, gegenüber dem rbb.
Die Kürzungen würden die Schüler hart treffen und die Situation noch schlimmer machen, so der bildungspolitische Sprecher. Dass der Verfügungsfonds so deutlich gekürzt werde, schränke die Selbstständigkeit der Schulen enorm ein. Ähnlich äußerte sich der Interessenverband Berliner Schulleitungen.
Weit über der Belastungsgrenze
Auch die GEW protestiert: „Schulleitungen, Lehrkräfte und Erzieher haben in den vergangenen zwei Jahren weit über der eigenen Belastungsgrenze gearbeitet und werden nun noch mehr im Stich gelassen. Anstelle des komplizierten Corona-Aufholprogramms wäre eine direkte Aufstockung der schulischen Mittel noch notwendiger denn je, um die Schüler aufzufangen und zu begleiten.“
Der Verfügungsfonds wurde den Schulen in der Zeit der vollen Kassen seit dem Jahr 2015 zugestanden. Laut einem „Tagesspiegel“-Bericht wurde er von den Schulen allerdings nicht immer ausgeschöpft. Besonders viel Geld soll im Jahr 2021 übrig geblieben sein.
Derweil bemüht sich die Bildungsverwaltung um Entschärfung. Schulen sollen zusätzliche Sondermittel für „Politische Bildung“ und weitere Mittel erhalten. Aus den Schulen kommen gemischte Reaktionen auf die geplante Kürzung.
Verständnis für Sparmaßnahmen
„Dass Berlin sparen muss, steht außer Frage“, sagt Holger Thießen, der die Martin-Buber-Oberschule in Spandau leitet. Thießen ist sicher, dass die pädagogische Qualität an seiner Schule nicht unter der angekündigten Streichrunde leiden werde. Dafür gebe es andere Töpfe.
Gleichwohl listet er einige Dinge auf, die verschoben werden müssen: zum Beispiel neue Stühle und Tische für einen Trakt des Gebäudes, Arbeitsecken für Schüler oder eine Lehrerfortbildung für bessere digitale Präsentationsformen im Unterricht.
Auch Ronald Rahmig von der Vereinigung der Leitungen berufsbildender Schulen in Berlin hat Verständnis für die Sparmaßnahmen. Er hätte sich bei der Planung allerdings eine Einbeziehung der Schulen gewünscht, sagte er im rbb.
Große Herausforderungen
Der Landeselternausschuss (LEA) fordert, die Kürzung zurückzunehmen. Der Verfügungsfonds sei für die Schulen die zentrale Quelle, um Bedarfe im Rahmen der gesetzlich verankerten eigenverantwortlichen Schule zu decken. Dazu zählten insbesondere zusätzliche schulische Angebote für Schüler mit Förderbedarfen, Maßnahmen im Rahmen der inklusiven Beschulung, Ergotherapien, Logopädieangebote und Weiterbildungen für Lehrkräfte.
„Es ist unverantwortbar, den Schulen diese wichtigen, flexibel einsetzbaren und frei verfügbaren Mittel zusammenzustreichen, gerade jetzt in der Pandemie und in einer Zeit neuer großer Herausforderungen durch die Aufnahme von Schülern, die aus dem Krieg geflohen sind“, heißt es in einem Beschluss des LEA.
Text: Nils Michaelis