Täglich landen noch genießbare Lebensmittel im Müll - doch "Containern" ist strafbar. Foto: IMAGO / Sabine Gudath
Täglich landen noch genießbare Lebensmittel im Müll - doch "Containern" ist strafbar. Foto: IMAGO / Sabine Gudath

Während durch Inflation, Energiekrise und Co. immer mehr Menschen selbst bei den Nahrungsmitteln sparen müssen, arbeiten die Tafeln in Deutschland am Limit. Zugleich werden Tag für Tag tonnenweise oft noch genießbare Lebensmittel einfach weggeschmissen. Jetzt steht zur Debatte, ob das sogenannte „Containern“ legalisiert werden sollte – oder es nicht doch bessere Lösungen im Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln gibt.

Rund elf Millionen Tonnen, so viele Lebensmittelabfälle werden laut dem Bundeslandwirtschaftsministerium in Deutschland pro Jahr entsorgt. Etwa 59 Prozent davon gehen auf die Abfälle der Verbraucher selbst zurück, knapp 17 Prozent gelangen hingegen in Restaurants, Kantinen und so weiter in den Müll. Lediglich sieben Prozent davon entstehen in den Supermärkten, etwa durch bestellte, aber nicht verkaufte Lebensmittel. Doch auch das sind unvorstellbare 770.000 Tonnen Nahrung, nicht selten noch genießbar, die Jahr für Jahr im Müll statt auf unseren Tellern landen.

Essen aus dem Müll

Im Kampf gegen das Problem Lebensmittelverschwendung gibt es viel zu tun – eine Reihe von Politikern will nun bei den Supermärkten ansetzen und das sogenannte “Containern” legalisieren. Hinter dem Begriff steckt die Mitnahme weggeworfener Waren wie Lebensmittel aus Abfallcontainern, wie sie in den Hinterhöfen von Supermärkten und Fabriken stehen.

Was bei manchen Ekel auslöst, ist für andere seit Jahren regelmäßige Praxis. Nicht selten lassen sich mit Funden aus den Supermarkt-Containern noch ganze Menüs zusammenstellen – zumindest dann, wenn man nicht beim “Containern” erwischt wird. Denn das wird teilweise zwar geduldet, steht in Deutschland aber streng genommen noch immer unter Strafe.

Suche nach noch essbaren Lebensmitteln in einer Bio-Tonne in Berlin. Foto: IMAGO / Sabine Gudath
„Containern“ in einer Bio-Tonne. Foto: IMAGO / Sabine Gudath

Appell an die Länder

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) planen nun, dass niemand mehr bestraft wird, der containert und dabei noch genießbare Lebensmittel aus Abfällen der Supermärkte holt. Statt jedoch die nötigen Gesetze dazu auf Bundesebene zu ändern, appellieren sie an die Justizminister und -senatoren der Bundesländer, einen Vorschlag des Landes Hamburg aus dem Jahr 2021 zu unterstützen.

Darin vorgesehen ist eine Anpassung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren, die von den Ländern beschlossen werden könnte. Immerhin: Erste Länder wie Mecklenburg-Vorpommern und Hessen signalisieren ihre Gesprächsbereitschaft. Bremen begrüßt den Vorstoß sogar, ein Sprecher des dortigen Justizressorts sagte, es sei obszön, Menschen dafür zu bestrafen, noch genießbare Lebensmittel aus Abfallcontainern zu holen.

Komplizierter als gedacht

Laut dem Vorschlag aus Hamburg sollte das sogenannte Containern nur noch dann bestraft werden, wenn ein Hausfriedensbruch vorliegt. Ist nur eine niedrige Mauer zu überwinden, um an die Lebensmittelreste im Supermarkt-Container zu kommen, soll nicht mehr für Diebstahl belangt werden können. Wer dafür jedoch ein Tor aufhebelt und beschädigt, müsste hingegen weiterhin mit einer Strafe rechnen.

Der Vorschlag ist gut gemeint, doch die Sache bleibt heikel.

So gut gemeint und längst überfällig der Vorstoß aus Hamburg auch scheint, die Sache bleibt heikel. Viele Supermärkte verbarrikadieren ihre Container hinter Absperrungen und erschweren damit absichtlich einen Zugang. Selbst wenn das Containern straffrei wäre, stünden schnell wieder Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung im Raum, da man sonst überhaupt nicht an die “Abfälle” gelangen würde.

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Doch auch gesundheitliche Faktoren wie die Kühlung der Lebensmittel stellen ein Dilemma in der Debatte dar. Auch Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) weißt darauf hin, dass noch verwendbare Lebensmittel selbst im Fall einer Container-Legalisierung gar nicht erst in Abfallcontainern landen sollten.

Anderswo landet weniger in der Tonne

Trotz erster positiver Reaktionen auf den Vorstoß von Özdemir und Buschmann gibt es auch Kritik. Viele weisen darauf hin, dass Supermärkte ganz einfach dazu verpflichtet werden sollten, weggeworfene Lebensmittel ohne jegliche Hindernisse der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Somit würden bedürftige Menschen tatsächlich nicht mehr für das Containern bestraft werden können.

Supermärkte in Tschechien müssen unverkäufliche Lebensmittel spenden.

Eine weitere mögliche Lösung bietet ein Blick nach Tschechien. Dort sind die Supermärkte seit Jahren dazu verpflichtet, unverkaufte Lebensmittel an Wohltätigkeitsorganisationen weiterzugeben. Bei einem Verstoß gegen das Gesetz werden bis zu 390.000 Euro fällig. Andere europäische Länder wie Frankreich oder Italien arbeiten seit längerem mit ähnlichen Regelungen.

Doch bis es auch in Deutschland soweit ist, wird noch viel Zeit vergehen und tonnenweise Lebensmittel im Müll landen. Die Legalisierung des Containerns könnte in diesen schwierigen Zeiten ein erster von vielen wichtigen Schritten hin zu weniger Verschwendung und Abfall sein. Oder sollte man das Problem doch anders bekämpfen und dem Vorbild unserer Nachbarländer folgen?

Was denken Sie, liebe Leserinnen und Leser? Sollte das sogenannte „Containern“ legal und straffrei werden? Nehmen Sie an unserer Umfrage teil. Das Abstimmungsfeld finden Sie in der rechten Seitenleiste und hier im Beitrag. Oder schreiben Sie uns Ihre Meinung und Erfahrungen in die Kommentare, ebenfalls möglich ist eine E-Mail an redaktion@berliner-abendblatt.de.

Text: Sascha Uhlig