Die Berlin-Wahl vom 26. September 2021 muss wiederholt werden. Das hat der Landesverfassungsgerichtshof am Mittwoch entschieden. Die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien reagieren wenig euphorisch auf das Urteil. Mit einer Ausnahme.
„Das ist ein gutes Zeichen für die Demokratie“, sagte Kristin Brinker, die Berliner Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD, am Mittwoch nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. „Und für uns als klagende Fraktion ist es ein positives Urteil“, so Brinker im Berliner Kammergericht Berlin.
Dort hatte kurz zuvor der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin die Wahlen zum 19. Berliner Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVVen) vom 26. September 2021 wegen „systemischer Mängel“ bei der Vorbereitung des Urnengangs insgesamt für ungültig erklärt.
Die Richterinnen und Richter gehen davon aus, dass die AfD und Grünen bei korrektem Wahlablauf sehr wahrscheinlich jeweils ein Mandat mehr bekommen hätten.
Vier Einsprüche
Die Entscheidung erging in dem Wahlprüfungsverfahren über die Einsprüche der Landeswahlleitung, der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport sowie der AfD und der Satire-Partei Die PARTEI.
Vertreter anderer Parteien kommentierten das Urteil überwiegend zurückhaltend. Und betonten zugleich, dass dieses zu akzeptieren und ein Weckruf sei, Wahlen künftig besser vorzubereiten.
„Spitze des Versagens“
„Das ist kein guter Tag für Berlin, aber eine Chance“, so der CDU-Abgeordnete und Generalsekretär Stefan Evers. Der CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende Kai Wegner attackierte den Senat: „Die Richter haben bestätigt, dass der noch amtierende rot-grün-rote Senat nicht einmal in der Lage ist, eine Wahl zu organisieren.“ Das Urteil sei die Spitze des Versagens von Rot-Grün-Rot.
Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sprach nach dem Richterspruch von einem „Denkmal der Dysfunktionalität“: „Weil die Regierenden der letzten Jahrzehnte – SPD, CDU, Linke und Grüne – sich konsequent jeglicher Verantwortung entledigten, Zuständigkeit immer nur woanders aber nicht bei sich selbst sahen und offensichtliche Missstände viel zu lange ignorierten, gipfeln diese chaotischen Zustände jetzt in einer Neuwahl.“
Giffey kündigt Erklärung an
Die Regierende Bürgermeisterin und Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey erklärte, keine Beschwerde gegen die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofs einzulegen. Sie berief den Senat am heutigen Mittwochabend zu einer Sondersitzung ein. Für den morgigen Donnerstag kündigte sie eine Regierungserklärung im Berliner Abgeordnetenhaus an.
Lesen Sie bitte auch: Innensenatorin: Vorbereitungen für Wahlwiederholung laufen
„Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass zukünftige Wahlen reibungslos verlaufen“, so Giffey laut einem in Sozialen Medien verbreiteten Pressestatement. „Daran arbeiten wir seit Monaten gemeinsam mit den Berliner Bezirken intensiv und werden dafür weder organisatorischen noch finanziellen Aufwand scheuen.“
Im Wahlkampfmodus
Außerdem zeigte sich unmittelbar nach der Verkündung des Urteils, das nach einer ersten rechtlichen Einschätzung von Ende September so erwartet worden war, dass die Berliner Politik nun endgültig im Wahlkampfmodus angekommen ist.
„Das ist eine Klatsche für die Innenverwaltung“, sagte die Berliner Linke-Chefin Katina Schubert dem „Berliner Abendblatt“. „Die Wahlorganisation muss grundlegend neu aufgestellt werden.“ Die Kritik richtet sich an Bausenator Andreas Geisel. Der SPD-Politiker trug seinerzeit als Innensenator die politische Verantwortung für die Pannenwahl. Am Mittwoch wurden erneut Rücktrittsforderungen laut.
Schubert: Rot-Grün-Rot fortsetzen
Der Wahlwiederholung sieht die Linke-Abgeordnete gelassen entgegen. Da sie über einen vorderen Platz auf der Landesliste ihrer Partei abgesichert ist, geht sie davon aus, erneut ins Landesparlament einzuziehen.
Schubert machte deutlich, dass ihre Partei nach der erneuten Abgeordnetenhauswahl die Koalition mit SPD und Grünen gerne fortsetzen wolle. Soziale Politik werde es nur mit der Linken geben. „Wir machen den Unterschied zur Ampel“, so Schubert.
Spannender Wahltag
Für Oda Hassepaß von der Grünen-Fraktion wird der Wahltag hingegen spannend. Sie hat das Direktmandat im von besonders vielen Pannen gebeutetelten Wahlkreis Pankow 3 mit nur 24 Stimmen Vorsprung gegenüber Klaus Lederer, den Berliner Spitzenkandidaten der Linken, geholt.
„Wir alle sind guten Mutes und stürzen uns nun in die Wahlvorbereitungen“, sagte sie. Am Wochenende werde Senatorin und Bürgermeisterin Bettina Jarasch als Spitzenkandidatin der Grünen nominiert, ließ Hassepaß‘ Fraktionskollegin Antje Kapek wissen.
CDU liegt vorn
Für den Wahlkampf bleibt allerdings nicht viel Zeit. 90 Tage haben die Behörden, um die Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den BVVen zu organisieren. Daher gilt der 12. Februar als Wahltermin gesetzt.
Bei der Wahl steht ein Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD, Grünen und CDU bevor. Laut der aktuellen Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstitutes INSA kommt die CDU derzeit auf 21 Prozent und liegt damit ganz vorn. SPD und Grüne erreichen jeweils 20 Prozent. Die Linke liegt bei zwölf Prozent.
Text: Nils Michaelis (mit dpa)