Carmen Ripoll (rechts) von den Maltesern mit freiwilligen Helfern am ZOB. Bild: Nils Michaelis
Carmen Ripoll (rechts) von den Maltesern mit freiwilligen Helfern am ZOB. Bild: Nils Michaelis

Bis zu 1.500 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen täglich am Zentralen Omnibusbahnhof am Funkturm an. Die Helfer von den Maltesern bereiten sich auf einen längeren Einsatz vor.

Rund 13.000 Menschen spült der Krieg in der Ukraine täglich nach Berlin. Die meisten kommen am Hauptbahnhof an. Für viele endet die Reise aber auch am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) am Funkturm.

Dort koordinieren die Berliner Malteser im Auftrag des Senats seit Anfang März die Vor-Ort-Hilfen. Oberhalb des ZOB hat die Hilfsorganisation vier Zelte errichtet. Unten an den Bussen werden die Ankommenden gefragt, was sie brauchen und dann zu den Zelten geleitet, wo sie unter anderem mit Essen, Trinken oder auch warmer Bekleidung versorgt werden, sich ausruhen können oder auch eine sanitätsdienstliche Erstversorgung bekommen.

An einem Nachmittag in der dritten Kriegswoche wirkt alles ruhig. Die Wartesteige der Busterminals sind nahezu leer. Zwischen den Zelten der Malteser sind nur wenige Hilfskräfte zu sehen. Die Ruhe täuscht.

Die ehrenamtliche Einsatzsanitäterin Katharina Müller verschwindet im Sanitätszelt. Drinnen liegt eine ältere Frau aus der Ukraine. Sie bekommt schwer Luft und hat einen schwachen Kreislauf. Kurz zuvor war sie während des Gangs zur Toilette zusammengebrochen.

Nach wenigen Minuten ist Müller wieder draußen. Der Ukrainerin geht es besser. Jetzt braucht sie vor allem Ruhe. Sollte es schlimmer werden, wird sie mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

Strapazen der Flucht aus der Ukraine

Müller kennt sich mit solchen Situationen aus. Seit dem 3. März verbringt sie in ihrer Freizeit täglich eine Schicht am ZOB, nur einen Tag pausierte sie bislang. Zwischen 500 und 1.500 ukrainische Kriegsflüchtlinge kommen dort pro Tag an, meistens in den Nachtstunden. Es sind vor allem Frauen und Kinder, aber auch viele Ältere.

Gesehen hat die 23-jährige Logopädin einiges: „Viele Menschen kommen mit Erschöpfungssymptomen an. Auf der langen Reise hatten sie nur sehr wenig zu essen. Das ist vor allem für Menschen mit Diabetes schwierig. Viele kleine Kinder sind total erschöpft und übermüdet. Es sind viele alte Menschen unter den Geflüchteten. Häufig verstärken sich unterwegs Altersbeschwerden.“

 


 

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Das lange Sitzen im Bus macht vielen Älteren zu schaffen, manche haben Ödeme. Kürzlich hatte eine Person ein Druckgeschwür. Eine andere wurde mit Verdacht auf Beinvenenthrombose ins Krankenhaus gebracht. Andere Menschen haben leichte Verletzungen, etwa Schnittwunden oder infizierte Wunden.

„Einige, die wir versorgen, wollen sofort weiter zu Freunden oder Verwandten in Berlin oder zum Hauptbahnhof“, sagt Charlotte Rybak, die Pressesprecherin der Berliner Malteser. „Andere bleiben mehrere Stunden bei uns. Um sich auszuruhen oder zu schlafen.“

In jeder Schicht gebe es Menschen, die Hilfe verschiedenster Art brauchen. In den letzten Tagen habe es besonders viele Kinder gegeben, die sehr mitgenommen wirkten. Rybak: „Was sie belastet, äußert sich häufig über Bauchschmerzen oder Erbrechen. Da geht es dann auch um psychologisches Fingerspitzengefühl. Ein Kuscheltier kann da gut helfen und ablenken.“

Zelte sind rund um die Uhr besetzt

Das Sanitätszelt ist rund um die Uhr mit drei Schichten besetzt. Pro Schicht gibt es vier bis sechs ehrenamtliche Helfer. Darüber hinaus sind hauptamtliche Einsatzkoordinatoren vor Ort. Sie dienen als Bindeglied zwischen den freiwilligen Helfern, die die Geflüchteten an den Busterminals in Empfang nehmen, und der Infrastruktur der Malteser.

Noch sind die Liegen im beheizten Ruhezelt unbesetzt. Auf einigen Kissen sind Stofftiere zu sehen. Was sich dort in einigen Stunden abspielen wird, kann niemand einschätzen. „Jede Nacht ist anders“, sagt Carmen Ripoll. „Mal ist mehr los, mal weniger.“ Als Diözesanoberin ist sie die wichtigste Ansprechpartnerin der Ehrenamtlichen der Berliner Malteser.

Ripoll schaut auf ihr Handy. Bis zum frühen Abend werden fünf Busse aus Polen und Tschechien erwartet, erfährt sie aus einer Telegram-Gruppe von externen Freiwilligen. Seitdem die Hilfe der Malteser am ZOB angelaufen ist, ist Ripoll gefühlt fast rund um die Uhr im Einsatz.

Warmes Essen für Geflüchtete und Helfer

Manche nennen sie scherzhaft die „Mutter der Kompanie“. Etwa, weil die Spanierin die Idee hatte, die Geflüchteten, aber auch die Helfer vor Ort mit warmem Essen zu versorgen. Außerdem sorgte sie dafür, dass direkt bei den Busterminals ein Essens- und Getränkestand der Malteser eingerichtet wird, wo sich Menschen aus der Ukraine, die ohne Umweg den Bus in ein Ankunftszentrum oder zum Hauptbahnhof erwischen wollen, versorgen können.

Ripoll stellt sich darauf ein, dass der Einsatz der Malteser hier oder am Hauptbahnhof längerfristig ist. „Ich versuche, so viel wie möglich am ZOB zu helfen und die Geflüchteten mit Suppe zu versorgen“, sagt sie. Eine Herausforderung sei die nächtliche Kälte.

Auch Einsatzkoordinatorin Anne Langhorst ist zuversichtlich: „Es ist eine dynamische Lage. Egal, wie sich alles in den kommenden Wochen entwickelt: Wir sind darauf vorbereitet, zu helfen.“

Wer die Arbeit der Malteser für ukrainische Kriegsflüchtlinge unterstützen möchte, kann spenden:
https://www.malteser.de/spenden-helfen/online-spenden.html

Text: Nils Michaelis