Manche halten Einsätze gegen Sisha-Bars oder Spätis für stigmatisierend.
„Politik der 1.000 Nadelstiche“ nennt Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) die Maßnahmen, mit denen sein Ordnungsamt seit rund drei Jahren gegen Shisha-Bars, Spätis, oder Barber-Shops vorgeht.
Einige von ihnen stehen im Verdacht, kriminell agierenden Familien-Clans Treffpunkte zu bieten oder gar illegale Einnahmen zu waschen. Bei vielen Betriebskontrollen werden kleinere Ordnungswidrigkeiten wie Verstöße gegen die Pfandflaschenverordnung, gegen die Hygienebestimmungen, die Missachtung von Halteverboten, illegale Beschäftigungsverhältnisse oder manipulierte Glücksspielautomaten festgestellt.
„Eine einzelne dieser Maßnahmen tut nicht weh, aber die Summe nervt“, begründet Bürgermeister Hikel die Einsätzte von Zoll, Polizei und Ordnungsamt. Die betroffenen Betreiber sehen das auch so – nur aus der anderen Perpektive: Bußgelder oder gar zeitweilige Schließungen zehren auf Dauer am Nervenkostüm.
Respektvoller Umgang
Im Neuköllner Bezirksamt steht diese Strategie seit der jüngsten Wahl zur Disposition. Sarah Nagel (Die Linke), die neue fürs Ordnungsamt zuständige Stadträtin, will die ihrer Ansicht nach unverhältnismäßigen Razzien einschränken beziehungsweise ganz einstellen.
„Viele dieser Razzien sind gewöhnliche Gewerbekontrollen, die ohne Anlass stattfinden und aufgebauscht werden. Um diese geht es mir. Sie finden oft abends mit viel Polizei und manchmal auch Presse statt. Diese Verbundeinsätze kosten die Steuerzahler Unsummen und sind nicht effektiv bei der Bekämpfung von Kriminalität“, lautet ihre Begründung.
Im Jahr 2020 wurden bei 240 „Kontrolleinsätzen zur Bekämpfung der Clankriminalität“ mit fast 39.000 Einsatzstunden allein bei der Polizei hauptsächlich Ordnungswidrigkeiten und Bagatelldelikte festgestellt. „Gewerbekontrollen sind ganz normal und können tagsüber und ohne Polizei stattfinden“, schlägt die Stadträtin vor. Es gehe um Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und respektvollen Umgang.
Ungleiche Behandlung
Und Nagel weiter: „Ich möchte künftig alle Gewerbe im Bezirk gleichermaßen in den Blick nehmen. Wenn nur einzelne Gewerbezweige öffentlichkeitswirksam kontrolliert werden, ist das stigmatisierend für Gewerbetreibende und ihre Gäste. Sollte sich ein Verdacht ergeben, muss diesem selbstverständlich nachgegangen werden.“
Hikel erklärte inzwischen, dass er selbst für die Verbundeinsätze zuständig sei und deren Ablehnung durch Nagel nicht nachvollziehen könne. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland betonte er, dass das Konzept dieser gemeinsamen Einsätze von Ordnungsämtern, Zoll und Polizei als so erfolgreich gelte, dass sich auch andere Bundesländer davon inspirieren ließen.
Man könne damit die Bekämpfung der organisierten Kriminalität clanbasierter Gruppen und ihres dominanten Auftretens in öffentlichen Raum unterstützen, so der Rathauschef.
Text: Stefan Bartylla. Bild: IMAGO/Reichwein