Who Ordered This Main?
Viele Gastro-Beschäftigte kritisieren die deutsche Trinkgeld-Kultur. Bild: iStock/Getty Images Plus/DGLimages

Wirtschaft: Personal in der Gastronomie klagt über immer weniger Trinkgeld.

Jeder, der wie ich schon einmal in der Gastronomie gearbeitet hat, weiß, wie wichtig Trinkgeld ist. An manchen Tagen nehmen Servicemitarbeiter mehr Trinkgeld ein, als sie von ihren Arbeitgebern an Lohn bekommen. Vor allem bei Geburtstagsgesellschaften oder Feiern winkt bei gutem Service gewohnheitsgemäß ein saftiges Zusatzgeld. Doch das wird zunehmend seltener: Immer mehr Kellner beklagen, dass der übliche Aufschlag von zehn Prozent längst kein Standard mehr ist.

Weniger Trinkgeld

Befeuert wurde die aktuelle Diskussion um die deutsche Trinkgeld-Kultur von Anja Reschke. Die Moderatorin des ARD-Politmagazins „Panorama“ hatte auf Twitter von einer Bekannten berichtet, die in einem Café arbeitet und trotz guter Arbeit immer weniger Trinkgeld bekommt.

Nach einer Geburtstagsfeier, die den Gastgeber insgesamt 7.000 Euro gekostet habe, gab es zwar reichlich Lob und Anerkennung für die Beschäftigten, Trinkgeld aber gab es nicht. „Was ist bitte los mit den Leuten? Das Trinkgeld nimmt seit Jahren ab. Aber Gastrokräfte im Service und Küche sind darauf angewiesen“, ärgerte sich Reschke auf Twitter. Deswegen sei es nicht verwunderlich, so Reschke, dass sich immer weniger Menschen für einen Job in der Gastronomie entscheiden würden.

Zusätzliche Belastung

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mischte sich per Twitter in die Debatte ein und wies auf die zusätzliche Belastung der Servicemitarbeiter während der Pandemie hin. „Schon alleine wegen der dauernden Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus ist es unverständlich, dass nicht großzügiger Trinkgeld bezahlt wird“, twitterte er.

Verschiedene Gründe

Doch es scheint nicht nur an der Inflation zu liegen, dass Gäste immer seltener den Zehn-Prozent-Aufschlag an Extra-Geld zahlen. Viele kritisieren auch, dass nur an Servicepersonal Trinkgeld gezahlt wird, andere Menschen aber, die ebenso wichtige Dienstleistungen erbringen, etwa BSR-Mitarbeiter, Paketboten oder Bäcker, leer ausgehen. Wieder andere machen das Trinkgeld von der Qualität des Services oder des Essens abhängig. Waren sie damit nicht zufrieden, gibt es eben auch keinen Bonus.

Schlechte Bezahlung

Abgesehen von der vermeintlich schwindenden Großzügigkeit der Gäste, offenbart sich in dieser Debatte aber noch ein anderes, größeres Problem: Servicemitarbeiter sind nur so sehr auf Trinkgeld angewiesen, weil sie von ihrem Lohn allein oft nicht leben könnten. Jobs in der Gastronomie sollten aber nicht nur durch Trinkgelder attraktiv sein.

Langfristig würden Beschäftigte in Restaurants, Bars und Cafés also vor allem von einer angemessenen Bezahlung und verbesserten Arbeitsbedingungen profitieren. Trinkgeld wäre dann nur ein nettes Zusatzgeld und nicht überlebenswichtig. Doch ob es in der Branche wirklich zu einem Wandel kommt, ist fraglich. Auch deshalb gebe ich für guten Service gerne weiterhin gutes Trinkgeld.

Text: kr