Was lange Zeit am Rand der Aufmerksamkeit lag, hat sich in Berlin zu einem der drängendsten Themen im Glücksspielbereich entwickelt. Trotz klarer gesetzlicher Regelungen, verpflichtender Lizenzen und steuerlicher Vorgaben wächst ein Markt, der sich gezielt außerhalb dieser Strukturen bewegt und das keineswegs zufällig.
Während der offizielle Glücksspielsektor mit Auflagen kämpft, nutzen andere Akteure genau diese Lücken, um in Schattenbereichen zu operieren. Die Folgen betreffen nicht nur Anbieter, sondern reichen tief in gesellschaftliche und politische Bereiche hinein.
Hohe Steuern, geringe Kontrolle – Berlin wird zur Spielwiese für illegales Glücksspiel
In Berlin gilt seit Mitte 2025 eine besonders hohe Vergnügungssteuer, die sich direkt am Bruttospielertrag bemisst. Mit 25 Prozent liegt dieser Satz über dem Niveau aller anderen Bundesländer und trifft insbesondere kleinere Betreiber empfindlich. Da diese Steuer zusätzlich zur regulären Glücksspielabgabe erhoben wird, bleibt vielen kaum etwas vom Umsatz.
Für Anbieter, die sich an alle gesetzlichen Vorgaben halten, bedeutet das enorme wirtschaftliche Belastung. Gleichzeitig agieren nicht lizenzierte Anbieter ohne steuerliche Verpflichtungen, solange keine GGL Kontrolle durchgeführt wird. Außerdem sichern sie sich damit einen erheblichen Vorteil. Während legale Betriebe um ihre Rentabilität kämpfen, floriert im Verborgenen ein Geschäft, das von jeder Abgabe verschont bleibt.
Gerade die Berliner Steuer gilt inzwischen als einer der Hauptgründe dafür, dass sich immer mehr Anbieter aus dem legalen Markt zurückziehen. Ein Effekt, der nicht nur wirtschaftlich bedenklich ist, sondern auch die eigentliche Absicht der Regulierung konterkariert.
Versteckt, vernetzt, verbreitet – illegale Glücksspielstrukturen in Berlin
Illegale Spielangebote treten in Berlin nicht mehr als spontane Einzelaktionen auf, sondern folgen längst durchdachten Strukturen. Klassische Automaten in verrauchten Hinterzimmern gehören genauso dazu wie vollständig digital organisierte Wettportale. Besonders auffällig zeigt sich die Rückkehr bereits beschlagnahmter Geräte, die in neuem Gewand wieder auftauchen und erneut eingesetzt werden.
Viele dieser Angebote laufen in Gewerberäumen, Wohnungen oder provisorisch eingerichteten Hinterräumen von Cafés. Die Geräte stammen oft aus dem Ausland, sind manipuliert oder nicht korrekt registriert.
Im Online-Bereich wird auf wechselnde Domains gesetzt, mit Zahlungsabwicklern aus dem Ausland gearbeitet und teilweise auch auf Kryptowährungen umgestellt. So lassen sich Nutzertransaktionen verschleiern, Kontrolle entziehen und Rechtswege vollständig umgehen.
Dabei handelt es sich nicht um Einzeltäter, sondern um gut vernetzte Strukturen, die technisches Know-how mit krimineller Organisation verbinden. Besonders auffällig sind bestimmte Berliner Stadtteile, in denen diese Strukturen besonders aktiv sind und Ermittlungsbehörden regelmäßig auf dieselben Betreiber treffen, allerdings unter neuen Namen oder an neuen Standorten.
Legale Anbieter unter Druck – Betriebe aus Berlin verabschieden sich
Regulierte Glücksspielbetriebe stehen in Berlin unter erheblichem Druck. Die hohen Steuersätze treffen auf einen Markt, der ohnehin mit strengen Auflagen, regelmäßigen Kontrollen und komplexen Verwaltungsprozessen arbeitet. Verpflichtungen zu Überwachung, Altersverifikation und Spielerschutz sind wichtig, verursachen jedoch hohe Kosten.
Hinzu kommt, dass illegale Angebote kaum diese Anforderungen erfüllen müssen, gleichzeitig aber ein umfangreicheres Spielangebot bereitstellen. Die Folge ist, dass Nutzer zunehmend auf nicht regulierte Plattformen ausweichen, weil diese einfacher erreichbar, flexibler und häufig attraktiver erscheinen.
Für viele legal arbeitende Betreiber lohnt sich der Aufwand schlicht nicht mehr. Besonders kleinere Spielhallen in sozialen Brennpunkten stellen den Betrieb ein, was nicht zuletzt Arbeitsplätze kostet und Investitionsbereitschaft zerstört. Wo regulierte Betriebe verschwinden, entsteht ein Vakuum. Dieses wird oft schneller gefüllt, als es die Aufsichtsbehörden kontrollieren können.
Behörden mit begrenzten Mitteln – die Strafverfolgung stößt an ihre Grenzen
Die Berliner Taskforce, die seit 2024 gegen illegales Glücksspiel vorgeht, bringt Polizei, Bezirksämter und Steuerfahndung an einen Tisch. Ziel ist es, mit gezielten Einsätzen und Kontrollen gegen bekannte Hotspots vorzugehen, Automaten zu beschlagnahmen und Räume zu schließen. Zwar wurden bereits einige größere Aktionen öffentlich gemacht, doch die Wirkung bleibt oft begrenzt.
Viele Geräte kehren zurück, Betreiber wechseln die Adresse oder agieren über Strohmänner. Die Strukturen sind gut vernetzt, flexibel und technisch immer einen Schritt voraus. Auch im digitalen Raum gelingt es nur mit Mühe, illegale Angebote zu unterbinden. Webseiten werden zwar blockiert, Zahlungsmethoden gekappt und Whistleblower-Plattformen eingerichtet, doch in der Praxis lässt sich das Netz kaum vollständig kontrollieren.
Dazu kommt eine deutliche Lücke bei belastbaren Zahlen. Ob die bisherigen Maßnahmen den gewünschten Effekt haben oder der Schwarzmarkt weiter wächst, bleibt vielfach Spekulation. Denn verlässliche Kanalisierungsraten oder öffentlich nachvollziehbare Erfolgsmessungen fehlen bislang.
Ein gefährliches Vakuum – unreguliertes Glücksspiel gefährdet Spieler und Stadtgesellschaft
Wer sich auf nicht regulierte Angebote einlässt, verzichtet auf jeglichen Spielerschutz. Es gibt keine Einzahlungsgrenzen, keine Pausefunktionen, keine Notrufsysteme. Auch die zentrale Sperrdatei bleibt wirkungslos, da illegale Anbieter keinerlei Zugriff auf diese Daten haben oder sich freiwillig daran binden würden.
Besonders gefährlich wird es für Personen mit erhöhtem Risiko, etwa für Minderjährige oder bereits spielsuchtgefährdete Menschen. Ohne Schutzmechanismen ist ein Einstieg leicht, eine Eskalation beinahe vorprogrammiert. Wer verliert, hat keine rechtliche Handhabe, keinen Ansprechpartner und kein Recht auf Rückerstattung. Die Plattformen agieren anonym und nutzen rechtliche Grauzonen oder internationale Verschleierungstechniken.
Neben individuellen Schäden entstehen auch gesellschaftliche Risiken. Schwarzgeldflüsse, Verbindungen zur organisierten Kriminalität und die Verdrängung regulierter Betriebe untergraben das Vertrauen in die staatliche Ordnung. Die Folge ist ein zunehmender Kontrollverlust, der sich nicht nur im Glücksspielsektor bemerkbar macht.
Diese Reformen könnten Berlin aus dem Schatten holen
Der Berliner Weg, Glücksspiel mit besonders hohen Steuersätzen zu belegen, sollte auf den Prüfstand. Statt pauschaler Abgaben, die selbst kleine Betreiber in die Knie zwingen, wäre eine dynamische Besteuerung denkbar, die sich an Ertrag, Standort oder Betriebsgröße orientiert. Auch eine Umstellung auf gewinnabhängige Steuersätze wie in Italien könnte eine realistischere Grundlage schaffen.
Darüber hinaus braucht es deutlich mehr Transparenz. Wenn keine verlässlichen Daten zur tatsächlichen Marktverteilung existieren, lassen sich auch keine fundierten politischen Entscheidungen treffen. Die Kanalisierungsrate, also der Anteil legal genutzter Glücksspielangebote, müsste regelmäßig veröffentlicht und analysiert werden.
Nicht zuletzt wäre eine bessere Ausstattung der Kontrollbehörden nötig, gerade im technischen Bereich. Wer den digitalen Schwarzmarkt auf Augenhöhe bekämpfen will, muss verstehen, wie dieser funktioniert und nicht nur auf Papierformulare oder klassische Razzien setzen.
Glücksspiel lässt sich nicht vollständig verbannen, das zeigen Jahrzehnte regulatorischer Erfahrung. Entscheidend ist, unter welchen Bedingungen es stattfindet. Berlin steht dabei aktuell nicht für Vorbildcharakter, sondern für ein Regulierungsmodell, das unbeabsichtigt jenen Auftrieb verleiht, die es eigentlich bremsen sollte.