Koalitionsvertrag Berlin Rot-Grün-Rot
Viel "Zukunft", wenig Konkretes im Koalitionsvertrag: Diese Kritik richtet sich an die Verhandlungsführer von SPD, Grünen und Linken.

200.000 neue Wohnungen bauen, fünf U-Bahn-Linien verlängern  und Schulen fit für die Zukunft machen: Der neue rot-grün-rote Senat nimmt sich viel vor. Trotzdem löst der Koalitionsvertrag nur wenig Begeisterung aus.

Schon die Überschrift weckt hohe Erwartungen. „Zukunftshauptstadt Berlin. Sozial. Ökologisch. Vielfältig. Wirtschaftsstark.“ Diese Worte stehen über dem Koalitionsvertrag, den die Verhandlungsführer von SPD, Grünen und Linken zum Wochenbeginn vorgestellt haben. Die Zielvereinbarungen für fünf Jahre Regierungsarbeit stoßen allerdings  auf ein geteiltes Echo.

Die alte und neue Koalition aus SPD, Grünen und Linke will bis zum Jahr 2030 200.000 neue Wohnungen bauen lassen, die Hälfte davon, wenn möglich, bis zum Ende der Wahlperiode im Jahr 2025. 50 Prozent sollen im gemeinwohlorientierten und bezahlbaren Segment entstehen.

Die Koalition werde beispielsweise durch Beschleunigungen, Förderprogramme und eine entsprechende Liegenschaftspolitik den Wohnungsmangel und überhöhte Mieten bekämpfen. Der Wohnungsbau werde unter anderem durch „verträgliche“ Nachverdichtung, Aufstockung und in neuen Stadtquartieren realisiert. 

Kiezbüros geplant

Für die Berliner Verwaltung kündigt der Koalitionsvertrag einen „neuen Aufbruch“ an. Die Verwaltung werde bürgerorientiert, barrierefrei, mehrsprachig, schnell und effizient aufgestellt.

Innerhalb von 14 Tagen soll jeder einen Termin beim Bürgeramt bekommen. Mit einer Verwaltungsreform werden Prozesse und Verfahren vereinfacht, beschleunigt sowie Zuständigkeiten von Land und Bezirken klar geregelt. Mit ämterübergreifenden Kiezbüros und mobilen Serviceangeboten soll der Kontakt mit Ämtern erleichtert werden.

Parken wird teurer

Derweil müssen sich Anwohner und Kurzzeit-Parker auf höhere Parkgebühren einstellen. Anwohner-Parkausweise sollen ab 2023 zehn Euro im Monat kosten. Der Preis werde nach sozialen Kriterien gestaffelt.

Für Touristen soll es ab 2024 ein verpflichtendes „Gästeticket“ geben. Die genauen Modalitäten werde der Senat gemeinsam mit der Tourismuswirtschaft erarbeiten, so die designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

Die Mehreinnahmen sollen dazu beitragen, die Verkehrsprojekte des Senats zu finanzieren, die sich vor allem an ökologischer Nachhaltigkeit und dem Ziel, Berlin zur klimaneutralen Stadt zu machen, orientieren sollen.

Dazu zählt der Ausbau von fünf U-Bahn-Linien, der Bau neuer Tramstrecken und eine Taktverdichtung des gesamten ÖPNV auf fünf Minuten in der Innenstadt und zehn Minuten in den Außenbezirken.

Höhere Lernerfolge

Zu den größten Baustellen der Berliner Politik zählen seit Jahren die schlechten Schulerfolge von überdurchschnittlich vielen Kindern. Hierzu findet sich im Koalitionsvertrag wenig Konkretes.

Für das Lernen an Ganztagsschulen wird eine „Qualitätsoffensive“ angekündigt. Die Koalition will die sechsjährige, inklusive Grundschule stärken sowie ein Konzept zur Weiterentwicklung der Qualität als „Schulen für alle“ entwickeln.

„Unser Ziel sind bessere Lernbedingungen und höhere Lernerfolge insbesondere dort, wo die Lage schwierig ist“, heißt es in dem Vertrag. Um dem Mangel an Lehrkräften zu begegnen, sollen diese wieder verbeamtet werden.

Verpasste Chance

„Die Herausforderungen der Berliner Schullandschaft sehen wir als nicht ausreichend berücksichtigt“, kommentiert der Landeselternausschuss Berlin die  schulpolitischen Eckpunkte. Unter anderem fehlen klare Zielvorgaben bei der Digitalisierung, so Sprecher Norman Heise. Die Ansätze, mehr Personal zu gewinnen, seien aber richtig.

Auch IHK-Präsident Daniel-Jan Girl sieht Licht und Schatten.  Er lobt den Runden Tisch Wohnungsbau und dass die Koalition den Klimaschutz zur Querschnittsaufgabe macht.

Überfällig sei auch, dass Rot-Grün-Rot die Doppelzuständigkeit von Bezirks- und Fachverwaltungen, etwa beim Verkehr oder großen Neubauvorhaben, beenden will.

„Dass Digitalisierung nicht zur Chefinnensache wird und es beim Thema Verwaltungsmodernisierung an mehr konkreten kurz- bis mittelfristigen Maßnahmen fehlt, ist hingegen eine verpasste Chance“, so Girl.

CDU: Autofahrer benachteiligt

Die CDU-Fraktion ist unter anderem von den verkehrspolitischen Leitlinien des Koalitionsvertrags enttäuscht. „Das ist, anders als von Franziska Giffey zuvor angekündigt, kein Angebot an alle Verkehrsteilnehmer, sondern ein einseitiges Papier für mehr und besseren Fahrradverkehr“, so der Abgeordnete Oliver Friederici.

Und weiter: „Im ÖPNV sehen wir lediglich Ergänzungen für neue Planungs- und Prüfaufträge bei U- und Straßenbahn. Das reicht nicht. Der private Autoverkehr wird kaum bis gar nicht gefördert. Stattdessen werden Straßen zurückgebaut.“

Eine zwölffache Erhöhung der Parkkosten für Anwohner sei weder verhältnismäßig noch rechtssicher, so Friederici.

Text: Nils Michaelis, Bild: IMAGO/Bernd Elmenthaler