Arbeiter bekleben die Glasfassade eines Hauses an der Mühlendammbrück mit einer riesigen Regenbogenfahne. Foto: IMAGO / Hohlfeld
Arbeiter bekleben die Glasfassade eines Hauses an der Mühlendammbrück mit einer riesigen Regenbogenfahne. Foto: IMAGO / Hohlfeld

– Meinung –

Kolumne: Der Journalist und Publizist Roland Tichy über Fahnen und andere politische Symbole im Alltag.

Sind Ihnen auch die vielen Regenbogenfarben aufgefallen in den letzten beiden Wochen? Manche mit braunen Zacken drin und andere mit Regenschirm. Jede Farbe steht für eine besondere sexuelle Orientierung. Das Pink für die gleichgeschlechtliche Liebe, das Lila in der Mitte für die geschlechtsunabhängige Liebe und das Blau für die Liebe zu einem anderen Geschlecht. Es kommen immer mehr Farben dazu, weil immer mehr Sex-Gruppen mitfeiern wollen und Akzeptanz einfordern. Und nun wird also in den USA und Europa der Pride-Monat gefeiert, weil am 28. Juni 1969 New Yorker Polizisten eine Razzia in der Schwulenbar „Stonewall Inn“ durchführten und daraus eine Protestbewegung entstand. So weit das Lexikon für die neue Fahnenlehre.

Aber diesmal ist der Jubelmonat für die sexuellen Vorlieben kurz. Immer mehr Konsumenten reagieren entnervt. Sie wollen ja bloß frische Milch kaufen; der Regenbogen ist egal. Politisierung alltäglicher Vorgänge ist lästig. Mit der ursprünglichen Regenbogenfahne hat es ohnehin nichts mehr zu tun, die war für alle Menschen Friedenssymbol: Entwickelt hat sie der US-amerikanische Aktivist Gilbert Baker. Da steht die Farbe Rot für Leben, Orange für Gesundheit, Gelb für die Sonne, Grün für Natur, Blau für Harmonie und Violett für den Geist.

Heuer verschwinden nach wenigen Tagen die Regenbogenlogos einiger Konzerne, manch andere machten gar nicht erst mit. Ohnehin hat beispielsweise Vorreiter BMW auf sein Regenbogenlogo in arabischen, muslimischen und afrikanischen Län­dern verzichtet; da wird das abgelehnt. Auch hierzulande hat, einer neuesten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zufolge, die Akzeptanz für LGBT-Rechte in den letzten beiden Jahren leider abgenommen: Trotz, oder gerade wegen der Kampagnen?

Während der Pride-Zenit überschritten scheint, kommen die Gegenbewegungen erst in Schwung. Im Internet gibt es den Stolzmonat – mit schwarzrotgoldenen Fahnen. Sollten Sie Urlaub in Österreich oder Südtirol machen wundern Sie sich nicht über brennende Herzen als Symbol, Fahne und Zeichen: Das ist der uralte Herz-Jesus-Monat, dem auch viele Widerstandskämpfer – darunter der Südtiroler Sandwirt Andreas Hofer – ihren Einsatz weihten. So wird der Juni zum Monat der Symbole – ob man sie mag oder nicht. Bleibt die Frage: Was haben solche Bekenntnisse im Supermarkt oder auf der Geldkarte zu suchen? Was meinen Sie?

Text: Roland Tichy