Auf den Straßen des Corona-Hotspots Neukölln hält sich die Sorge vor dem Virus in Grenzen.
Die Straßen in Berlin Neukölln sind belebt – trotz Corona-Pandemie. In Deutschlands Hotspot der Hotspots zeugt nur wenig von der grassierenden Viruserkrankung. Einzig die Masken, die die Menschen im Gesicht tragen, machen offensichtlich, dass doch alles anders ist als vorher. Zumindest auf den ersten Blick.
Es herrscht weitestgehend kollektives Schweigen
In den Läden und Imbissen vor Ort scheint Ernüchterung vorzuherrschen. So wirklich äußern möchte sich in Neukölln niemand zu Corona. Die Maßnahmen schädigen das Geschäft – und werden deshalb nicht überall eingehalten und ernstgenommen. Mancherorts scheint ein kollektives Schweigen zu herrschen, um irgendwie ein normales Leben weiterführen zu können.
Das soziale Leben geht hinter verschlossenen Türen weiter, wie Anwohner aus Neukölln auf Nachfrage erzählen. Wer Angst hat, bleibt weitestgehend Zuhause. Die anderen treffen sich dort, wo Polizei und Ordnungsamt keine Kontrolle haben. Die Bereitschaft, sich an alle Maßnahmen zu halten, scheint im Kiez nicht besonders groß zu sein. Erst kürzlich erwischte die Polizei viele Maskenmuffel – etwa in der Karl-Marx-Straße, wo seit kurzem auch Maskenpflicht im Freien herrscht. Dort geschahen die Verstöße größtenteils aus Unwissenheit, wie die Polizei mitteilte.
Ohne Angst, aber sorgenvoll
Fragt man die Passanten an der Hermannstraße in Neukölln, zeigt sich der eine oder andere auch besorgt – gerade die jüngeren Anwohner aber haben keine Angst vor der Krankheit. So wie Lev Puchinin (26) und Tolegen Batentayev (36). Die größte Herausforderung für sie ist, wie sie sagen, alternative Beschäftigungen zu finden. Vorher gingen sie gerne in die Clubs und feierten das Nachtleben. Heute treffen sie sich mit Sicherheitsabstand im Park. Sie selbst halten sich nach eigenen Angaben an die Maßnahmen. „Aber es gibt hier immer wieder illegale Hauspartys“, sagt Puchinin.
“Wir hoffen, dass wir alle gut durch den Winter kommen”
Angst haben auch Marius Jockers und Anna Latzko aus Neukölln nicht. „Wir haben aber keine Lust, die Krankheit zu bekommen und wollen auch nicht dafür verantwortlich sein, sie weiterzutragen und Menschen mit höherem Risiko zu infizieren.“ Marius Jockers Zukunftssorgen konzentrieren sich zudem eher auf die der Veranstaltungs- und Kulturbranche, in der er auch selbst tätig ist. „Weil viele Clubs, Konzertveranstaltungsbetriebe und Selbstständige das nicht länger stemmen können und entsprechende staatliche Hilfen bisher absolut nicht reichen“, sagt er. Diese müssten viel schneller, unkomplizierter und vor allem größer ausfallen, um Unternehmer mittelfristig retten zu können. Und weiter: „Ansonsten geht es uns eigentlich noch ganz gut. Ich hoffe, dass wir alle gut durch den Winter kommen. Der könnte noch mal sehr hart werden. Es ist umso wichtiger, endlich mal gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zeigen“, findet er.
Datum: 29. Oktober 2020, Bilder und Text: Anna von Stefenelli