Lesen, Schreiben und Rechnen: unterirdisch. In einer bundesweiten Studie haben Grundschulen in Berlin miserabel abgeschnitten. Ein Lehrer zeigt Lösungen auf.
Für Menschen, die sich schon länger mit der Lage in den Berliner Schulen befassen, kam die Meldung wenig überraschend: Die Viertklässler in Berlins Schulen haben in einem bundesweiten Bildungsvergleich schlecht abgeschnitten.
In der Rechtschreibung, beim Lesen und Zuhören sowie im Fach Mathematik sind ihre Kompetenzen schlechter als im Bundesdurchschnitt. Das geht aus dem kürzlich veröffentlichten Bildungstrend des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hervor. Die Studie im Auftrag der Kultusministerkonferenz zeigt zugleich, dass das Leistungsniveau im Vergleich zur letzten Erhebung vor fünf Jahren in allen Bereichen gesunken ist.
Alarmierende Zahlen
Die einzelnen Testrubriken ergeben ein alarmierendes Bild. Beim Lesen im Fach Deutsch erreichten 27,2 Prozent der Viertklässler nicht den Mindeststandard. Das ist im Ländervergleich der zweithöchste Wert hinter Bremen. 48,5 Prozent erreichten den Regelstandard, das ist der zweitschlechteste Wert vor Bremen. Auf den Optimalstandard kamen 6,9 Prozent.
Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt erreichten 18,8 Prozent den Mindeststandard nicht, 57,6 Prozent den Regelstandard und 7,8 Prozent den Optimalstandard. Düster sind auch die Werte bei der Rechtschreibung: Hier kamen 46,1 Prozent der Berliner Viertklässler nicht auf den Mindeststandard. Bundesweit ist das der schlechteste Wert.
Den Regelstandard erreichten nur 29,8 Prozent, auch hier ist Berlin Schusslicht. 3,4 erreichten den Optimalstandard. Im Bundesdurchschnitt erreichten 30,4 Prozent nicht den Mindeststandard, 44,4 Prozent den Regelstandard und 6,0 Prozent den Optimalstandard.
Überraschend ist schon eher, dass sich die von Astrid-Sabine Busse (SPD) geführte Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie trotz der miserablen Testergebnisse auf gutem Kurs sieht. Berlin habe den Handlungsbedarf bereits vor längerer Zeit klar erkannt und viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, sagt Sprecher Martin Klesmann. So sei die Köller-Kommission eingesetzt worden.
Viele Empfehlungen dieser Qualitätskommission seien aktuell in der Umsetzung: etwa die Gründung eines Landesinstituts für Aus-, Fort- und Weiterbildung. „Im Kern geht es uns stets darum, die Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik zu stärken“, so Klesmann. Die Ergebnisse des Bildungstrends zeigten deutlich, wie wichtig der Präsenzunterricht ist, betont er mit Blick auf die Einschränkung für Schulkinder während der Corona-Lockdowns. Während dieser Zeit seien die Daten erhoben worden.
Zusätzliche Sprachförderung
Aus der CDU-Fraktion kommen Forderungen, Kinder mit Sprachdefiziten gezielter und in Kleingruppen zu fördern, um deren Bildungschancen zu verbessern. Dazu Klesmann: „Berlin bietet bereits jetzt so viel gezielte zusätzliche Sprachförderung und gibt so viel Unterricht wie kaum ein anderes Bundesland.“
Nur zwei Drittel der den öffentlichen Schulen zur Verfügung stehenden 14.000 Lehrkräfte sei für die vorgeschriebene Stundentafel bestimmt, ein Drittel werde bereits für Sprachförderung, zusätzliche Förderung und Profilstunden eingesetzt.
In der Praxis sieht das allerdings nicht so rosig aus, berichtet uns ein Grundschullehrer aus dem Wedding. „Das Angebot der Sprachförderung gibt es an unserer Schule. Jedoch ist der Personalmangel so groß, dass die Fördereinheiten bei Krankheit der Lehrperson ausfallen müssen. So kommt da keine Kontinuität rein“, so der Lehrer.
Zu wenig Personal
Busse verwies im rbb zudem darauf, dass Berliner Grundschüler während der ersten vier Schuljahre eine Stunde mehr Deutschunterricht hätten als im Schnitt der übrigen Bundesländer.
Das stimme, sagt der Lehrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Das federe aber nicht die Defizite ab. Alles in allem seien die Klassen viel zu groß. „Ich stehe in einer vierten Klasse in Deutsch vor circa 25 Schülern. Die haben alle unterschiedliche Leistungs- und Sprachniveaus und teilweise noch diagnostizierte Lern-, Lese-, und Rechtschreibschwächen.“
Bei diesen heterogenen Gruppen sei für ihn nur die Lösung, entweder kleinere Lerngruppen zu organisieren oder eine zweite Lehrkraft in den Unterricht zu integrieren. Dass beides in der Praxis nicht möglich ist, sei dem akuten Personalmangel geschuldet.
Text: Nils Michaelis/Sara Klinke