Eine Kolumne von Stefan Bartylla

Die Gewalt und Zerstörung, die Berlin während und nach der Räumung des Wagenplatzes an der Köpenicker Straße erleben musste, ist vollkommen inakzeptabel.

Brennende Autos, kaputte Scheiben, Steinwürfe und damit die Gefährdung von Menschenleben sind der falsche Weg, Probleme zu lösen. Der Anlass für diese Ausschreitungen – die Räumung eines weiteren urbanen Freiraums – ist hingegen Grund genug, die Folgen Berliner Stadtentwicklung zu diskutieren.

Symbol für Toleranz

Das Wagencamp an der Köpenicker Straße stand genau für das tolerante Leben in einem offenen Berlin, das in aller Welt bewundert und geschätzt wird – und das ich selbst einmal sehr geliebt habe. Dieser Teil der Berliner Seele wird aber bald Geschichte sein, denn das Köpi-Camp war einer der letzten Freiräume seiner Art, in dem sich die Bewohner ihren Traum vom selbst bestimmten Leben verwirklichen konnten.

Kein guter Tausch

Ich bedauere die Räumung sehr, denn mit jeder geschlossenen Kiezkneipe, jedem geräumten Platz, und jeder bebauten Brache stirbt auch ein Stück Toleranz und Offenheit in meiner Stadt. Im Gegenzug bekommt Berlin noch mehr verwechslungsfreudige Einerlei-Architektur, noch mehr Franchisegastronomie in die Kieze geklotzt.

Blick in die Zukunft

In der Köpenicker Straße wird es in ein, zwei Jahren vielleicht ein weiteres Bürohaus geben, in dem Start-ups sitzen, die um junge Mitarbeiter mit dem Argument werben, im coolen Teil von Berlin arbeiten zu können – ganz nah am Heinrichplatz, der demnächst Rio-Reiser-Platz heißen wird. Nur wenige der jungen Leute werden wissen, wer Rio Reiser war, wofür er bis heute steht. „Der Traum ist aus“ hieß übrigens einer seiner starken Songs.

Bild: André Kowalski, getty images