Sigrid Carstensen Kleingarten Kleingärten

Per Gesetz wollen Politiker von SPD und Linken Berliner Kleingärten besonders schützen. Bei Wohnungsneubau sollen sogar noch neue Parzellen entstehen.

„Wir haben unsere Kleingärten symbolisch zu Grabe getragen“, erklärte Sigrid Carstensen, die 23 Jahre lang stolze Besitzerin eines Kleingartens in der „Morgengrauen“-Kolonie in Tempelhof war, im Interview. Die Kolonie in der Eisenacher Straße musste Ende 2020 einem Schulneubau weichen.

Das ist kein Einzelfall. Kleingärten und deren Wegfall sind immer wieder Grund für Diskussionen. Per Gesetz wollen Politiker von SPD und Linken Berliner Kleingartenanlagen besonders schützen. Bei Wohnungsneubau sollen sogar noch neue Parzellen entstehen. Im Senat blickt man eher kopfschüttelnd auf den Gesetzentwurf. Ist am Ende alles nur Wahlkampfgetöse?

Politikum Kleingärten

Kleingärten sind nicht nur grüne Paradiese inmitten der Großstadt – sie sind auch ein Politikum. Durch den im vergangenen Sommer beschlossenen Kleingartenentwicklungsplan (KEP) des rot-rot-grünen Senats soll die überwiegende Mehrheit der Parzellen bereits geschützt werden.

Fachpolitiker aus den Reihen von SPD und Linken haben nun jedoch einen neuen Entwurf mit dem Titel „Kleingartenflächensicherungsgesetz“ (kurz: KGFlSiG) – ein Werk mit 15 Paragrafen – ausformuliert. Die wichtigste Botschaft findet sich in Paragraf 1, Satz 1: „Kleingärten sind in ihrem Umfang von 2.900 Hektar gesichert. Dieser Flächenumfang darf nicht unterschritten werden.“ So weit, so gut.

Soziale Infrastruktur

Aber nicht nur bestehende Flächen sollen gesichert sein: „Bei der Planung und Realisierung von neuen Wohnquartieren soll die Bereitstellung eines Kleingartens mit einer Fläche von 17 Quadratmetern je Einwohner im Geschosswohnungsbau berücksichtigt werden“, heißt es. Für Wohnungsbau dürfen Parzellen nicht mehr herhalten.

Aufgegeben werden dürfen Flächen nur noch vereinzelt, etwa für den Bau „sozialer Infrastruktur“, also für Schulen, Kitas oder Sportanlagen. Über Einzelfälle müsse in jedem Falle das Abgeordnetenhaus entscheiden. Laut Gesetzentwurf sollen Kleingärtner ihre Gemeinschaftsflächen für die Allgemeinheit öffnen und die Parzellen „ökologisch aufwerten“.

Dauerhafte Sicherung

Einer der Autoren des Gesetzentwurfs ist der Abgeordnete Daniel Buchholz (SPD). Er erklärte, dass das Papier einer juristischen Prüfung bedürfe. „Wir wollen im Gesetz die rechtlich weitest mögliche Formulierung aufnehmen, die den Willen des Gesetzgebers zur dauerhaften Sicherung klarmacht“, sagte er.

Das Gesetz sieht er als „Zukunftsvertrag“ mit den Kleingärtnern: „Die bessere Sicherung ist kein Widerspruch zum weiter notwendigen Neubau von bezahlbaren Wohnungen. Denn die bauliche Verdichtung der Stadt erfordert auch grüne Flächen als Ausgleich. Dann bleibt Berlin attraktiv und lebenswert.“

Gesetze im Widerspruch 

Bei den Grünen und auch bei den beiden zuständigen Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Umwelt besteht die Sorge, dass ein Landesgesetz in Kompetenzen des Bundes eingreift. Denn das Bundeskleingartengesetz regele die Verhältnisse von Kleingärten bereits. In der von Regine Günther (Grüne) geführten Senatsumweltverwaltung sieht man „erhebliche verfassungsrechtliche Fragen“ und „zahlreiche innere Ungereimtheiten und Widersprüche zum Bundesrecht“.

Lapidar wird festgestellt: „Bisher herrscht hier im Haus die Einschätzung vor, dass eine gesetzliche Sicherung wünschenswert, aber nicht möglich ist.“ Größter Stein des Anstoßes ist die im Gesetz formulierte Pflicht, beim Wohnungsneubau auch zusätzliche neue Kleingartenflächen zu schaffen. Flächen, an denen es in Berlin mangelt.

Falsche Erwartungen. Auch die Grünen wollen einen noch besseren Schutz der Gärten als schon im Senat vereinbart. Dafür soll der bestehende KEP weiterentwickelt werden. Ein Flächensicherungsgesetz, zumal vor der Wahl im Herbst, hält die Partei für kaum realistisch.

Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär für Umwelt, erklärte auf Nachfrage: „Man sollte bei den Kleingärtnern keine falschen Erwartungen schüren und Hoffnungen wecken, solange nicht klar ist, ob man sie überhaupt rechtlich erfüllen kann.“

Datum: 17. Februar 2021, Text: Anna von Stefenelli; Bild: Privat