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Weltverbesserer mit großen Sorgen. Bild: iStock / Getty Images Plus / Seahorse Vector / Veronika Oliinyk

Steigende Energiepreise und Fachkräftemangel überschatten den Tag des Handwerks am 17. September. Handwerkskammer Berlin fordert spürbare Entlastungen.

Sie waschen unsere Wäsche, reparieren das Auto, backen unser Brot, machen uns die Haare oder bauen das neue Haus gleich um die Ecke: Handwerker haben – im wahrsten Sinne des Wortes – fast überall ihre Hände im Spiel.

Sie sind, so Jürgen Wittke, ein wichtiger Teil all derer, die unsere Stadt am Laufen halten. Er muss es wissen, denn als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin ist er der oberste Sprecher für die mehr als 30.500 Handwerksbetriebe dieser Stadt.

Explodierende Preise

Auch wenn bei einem Großteil der Berliner Handwerksbetriebe die Auftragsbücher voll sind: Als reinen Feiertag möchte Jürgen Wittke den 17. September nicht verstanden wissen. „Dafür sind dann doch zu viele Gewitterwolken am Horizont aufgezogen.“


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Was Wittke meint: Vor allem der anhaltende Fachkräftemangel und die massiv steigenden Energie- und Rostoffpreise machen immer mehr Unternehmen das Leben zunehmend schwer.

Davon kann Dirk Martens ein Lied singen. Der Schauspieler und Inhaber von „Freddy Leck sein Waschsalon“ in der Gotzkowskystraße in Moabit denkt mit Grausen an den 1. Oktober. „Der Gaspreis wird sich versechsfachen, der Strompreis fast verdoppeln“, rechnet Martens in einem Beitrag des rbb-Radiosenders Inforadio vor.

„Wir werden Energiepreise von fast 4.500 Euro im Monat haben“. Wie es dann mit seinem Waschsalon weitergeht, weiß Martens noch nicht. So wie ihm geht es auch den anderen Textilreinigern, den Bäckern oder Fleischern.

„Diese Betriebe können die höheren Preise nicht eins zu eins an ihre Kunden weitergeben. Zumal auch die unter den höheren Preisen leiden und weniger konsumieren“, erklärt Jürgen Wittke. Er fordert deshalb von der Politik eine „schnelle und spürbare Entlastung“ des Handwerks.

Extrem modern

Zumindest beim Thema Fachkräftemangel scheint die Politik den Ernst der Lage erkannt zu haben. Das wurde beim Besuch von Franziska Giffey (SPD) kürzlich auf einem Lehrbauhof in Marienfelde deutlich.

Mit Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) rührte sie die Werbetrommel für Handwerksberufe. Hintergrund ist, dass von berlinweit insgesamt 15.000 Ausbildungsplätzen im Sommer noch mehr als 7.000 nicht besetzt gewesen sind.


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„Handwerk hat goldenen Boden, das gilt heute mehr denn je“, warb die Regierende Bürgermeisterin. Wirtschaftssenator Schwarz ergänzte, Berufe im Handwerk seien traditionell, aber gleichzeitig auch extrem modern und auch mit dem Blick auf den Klimawandel immer wichtiger.

Klarer Kurswechsel

Als „sinnstiftend“ bezeichnet Jürgen Wittke Berufe im Handwerk. Sie seien erste Adressen, wenn es um Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energiewende geht. Genau darauf zielt auch die neue Image-Kampagne des Deutschen Handwerkskammertages e.V. (DHKT) ab.

„Für das Klima auf die Straße, aber nicht ins Handwerk?“ Mit zugespitzten Botschaften wie dieser soll auf einen grundlegenden Widerspruch in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte aufmerksam gemacht werden.

Einerseits, so betont der DHKT, „engagiert sich gerade auch die Jugend zu Recht sehr für einen klaren Kurswechsel in der Klima- und Energiepolitik. Andererseits werden aber dringend Fachkräfte gesucht, um überhaupt die technischen Grundlagen für eine erfolgreiche Klimawende zu schaffen.“

Größte Klimaschutzbewegung

Handwerker sind Weltverbesserer, sagt der DHKT – allerdings mit Nachwuchssorgen. Laut Handwerksverbänden und IG Metall fehlen rund 190.000 Fachkräfte allein für die Umrüstung und den Ausbau von klimagerechter Technik.

Ein wesentlicher Grund, warum unsere Klimaziele zunehmend in Gefahr geraten. Jürgen Wittke sieht vor allem in den Schulen „noch viel Luft nach oben“, wenn es darum geht, Mädchen und Jungen zu motivieren, mit einer handwerklichen Ausbildung Teil der „größten aktiven Klimaschutzbewegung Deutschlands“ zu werden.

Text: Ulf Teichert