Reine Fußgängerzone oder belebte Verkehrsstraße? In der Berliner Politik drehte sich in den vergangenen Monaten gefühlt alles um sie: die beliebte Flaniermeile Friedrichstraße, die zur autofreien Zone wurde. Das umstrittene Verkehrsprojekt spaltet nicht nur die Politik in zwei Lager, auch die Anwohner und zahlreichen Ladenbesitzer rund um die wichtige Straße in Mitte sind sich uneinig darüber, wie es mit ihr weitergehen soll.
Ewiges Hin und Her
Für die betroffenen Anwohner ist bei der ganzen Angelegenheit besonders eine Sache ärgerlich: Das Hin und Her um ihr Zuhause, das kein Ende zu nehmen scheint. Nachdem die Friedrichstraße im August 2020 in einem Abschnitt zwischen Leipziger und Französischer Straße erstmals zur autofreien Zone im Rahmen eines Erprobungsprojekts wurde, eröffnete die Straße im November 2022 wieder für Autofahrer. Der Grund dafür: Eine Weinhändlerin aus der Charlottenstraße reichte Klage ein, weil sie unter dem vermehrten Verkehr in ihrer Straße litt. Doch auch diese Entscheidung war nur von kurzer Dauer: Ende Januar wurde die Straße wieder zur autofreien Zone, die Charlottenstraße soll außerdem zu einer Fahrradstraße werden. Das Problem? Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage sind lediglich 37 Prozent mit der Umwandlung zur autofreien Zone glücklich.
Für Anwohner entspannter
Zu ihnen gehört die Anwohnerin Kerstin (52), die über die beruhigte Friedrichstraße schwärmt: „Natürlich ist es schöner, wenn vor dem Fenster keine Autos mehr rumfahren. Mir gefällt es ruhig viel besser, durch die vielen Fußgänger und Touristen ist es sowieso schon trubelig. Für uns Anwohner ist es doch so entspannter.“ Ganz anders sieht das Verkäuferin Jana (30), die an der beliebten Einkaufsstraße arbeitet. Sie findet das neue Konzept „unfertig und verwirrend“, auch ihre Kunden würden eine belebtere Verkehrsstraße bevorzugen. „Viele Kunden äußern sich negativ über die neue Friedrichstraße. Es gibt nur wenige, die sich darüber freuen, dass hier keine Autos mehr fahren dürfen. Gefühlt gibt es seitdem auch viel mehr Parkplatzprobleme.“
Gegen die Sperrung
Und dann ist da noch Anja Schröder, die eben genannte Weinhändlerin aus der parallel verlaufenden Charlottenstraße. Durch ihre Klage wurde die Friedrichstraße zwischenzeitlich wieder für den Verkehr geöffnet. Sie setzt sich ganz besonders für die Debatte rund um das Autoverbot ein. Als wir mit ihr sprechen, kommt sie gerade von einer Sitzung des Aktionsbündnisses „Rettet die Friedrichstraße“. Der Verband setzt sich seit einem Jahr sehr aktiv für die Friedrichstraße ein. „Wir hoffen natürlich, dass die Koalitionsverhandlungen gut laufen“, sagt Anja Schröder und bezieht sich auf die geplante Regierungskoalition mit CDU und SPD nach den Wiederholungswahlen am 12. Februar. Sie erklärt: „Die SPD und CDU sind gegen die vorschnelle Sperrung.“
Was sich Anja Schröder und das Aktionsbündnis von der neuen Regierung in Berlin wünschen? „Wir erhoffen uns dadurch einen anderen Blickwinkel auf die Straße. Dass man einhält, was versprochen wurde und erst plant und dann macht.“ Außerdem wünsche sie sich von der neuen Regierung „realistischere Ziele“ für das Stadtquartier in Mitte.
Viele Läden geschlossen. Das Ergebnis der autofreien Zone seien laut Anja Schröder bereits 21 Ladenschließungen und enorme Auswirkungen auf die Nebenstraßen durch die 500 Meter lange Sperrung auf der Friedrichstraße.
Text: Julia Maler