Wenn sich eine mit Corona infizierte Person in Quarantäne im Haushalt schwer verletzt und in Berlin vergeblich nach medizinischer Hilfe sucht…
„Ich habe mich so hilflos gefühlt“, sagt Sabine (Name von der Redaktion geändert), als sie dem Berliner Abendblatt davon erzählt, was ihr geschehen ist, als sie sich mit Corona infiziert in häuslicher Isolation schwer verletzt hat.
Fingerkuppe abgeschnitten
Durch einen Schnelltest positiv auf das Corona-Virus getestet und gleich im Anschluss auch durch einen PCR-Test bestätigt, begab sich Sabine Anfang vergangener Woche sofort in die häusliche Isolation. Gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter, die kurze Zeit später per Schnelltest zuhause ebenfalls positiv auf das Corona-Virus getestet wurde, verbrachte sie intensive und anstrengende Tage in den eigenen vier Wänden. Nach drei Tagen verletzte Sabine sich im Haushalt. Sie schnitt sich bei einer Küchentätigkeit ein ordentliches Stück ihrer Fingerkuppe am linken Ringfinger ab.
Mit Corona in die Notaufnahme
„Es blutete so stark, mir wurde schwindelig und dann war da noch meine Tochter. Sie geriet in Panik“, erinnert sich Sabine. Für sie war schnell klar, dass die Wunde dringend professionell versorgt werden muss. Die Lichtenbergerin rief sofort beim Sana Klinikum in der Nachbarschaft an, ob sie trotz ihrer behördlich angeordneten Quarantäne kommen dürfe. „Zum Glück konnte ich sofort hin. Ich musste zwar vier Stunden warten, aber immerhin wurde die Wunde versorgt.“
Der behandelnde Arzt riet ihr, nach zwei Tagen zum Verbandswechsel einen Hausarzt aufzusuchen. Es solle auch geprüft werden, ob die Wunde sich infiziert habe, weil das Küchenmesser Keime in die Wunde gebracht haben könnte.
Kein Arzt wollte helfen
Nun begann ihr Telefonmarathon: Sie rief etliche Hausärzte in Berlin an, die die Versorgung ihrer Wunde ablehnten, weil sie Corona-infiziert war. „Es waren mindestens 50“, sagt Sabine. Niemand wollte sie behandeln. „Was muss ich tun, wenn ich Corona habe und mich in häuslicher Isolation verletze oder erkranke und einen Arzt benötige?“, fragte sie sich.
Verlassen der Wohnung verboten?
Schließlich meldete sie sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und bat um Rat, was in ihrer Situation zu tun sei. Die Antwort war, dass sie wegen der Corona-Infektion das Haus nicht verlassen dürfe und eigentlich auch nicht in die Notaufnahme hätte fahren können, eben weil sie sich in behördlich angeordneter Isolation befand. Einen Vorgehensplan bei Unfällen im Haushalt während der Quarantäne konnte die KV Sabine also nicht nennen. Schließlich meldete sie sich wieder im Sana Klinikum Lichtenberg, das ihr erneut den Besuch in der Notaufnahme gestattete und ein Verbandswechsel inklusive Versorgung der Wunde durchgeführt werden konnte.
„Es ist fraglich, ob die ohnehin schon überfüllten Notaufnahmen in dieser Stadt noch die Patienten versorgen müssen, die schlichtweg einen Verbandswechsel benötigen. Zwar war ich positiv auf das Corona-Virus getestet worden, aber diese Priorisierung erschien mir doch irgendwie absurd“, sagt Sabine. Schließlich würden Mitarbeiter in Testzentren sich durch entsprechende Schutzkleidung auch vor möglicher Infektion schützen können.
Zu diesem Fall hat das Berliner Abendblatt bei der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit nachgefragt.
Notfallmedizinische Versorgung trotz Quarantänepflicht
„Selbstverständlich dürfen infizierte Personen, die sich in Isolation befinden, in den erforderlichen Fällen das Haus verlassen, um sich notfallmedizinisch versorgen zu lassen“, antwortet die Senatsverwaltung für Gesundheit. Es stelle zwar grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit dar, den Ort der eigenen Absonderung zu verlassen, allerdings wird die Ordnungswidrigkeit nach § 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) als eine „rechtswidrige und vorwerfbare Handlung“ definiert. „Im Falle eines häuslichen Unfalls eine notfallmedizinische Untersuchung vornehmen zu lassen, ist weder rechtswidrig noch vorwerfbar.“ Insofern verstößt das Verlassen der Isolation aus einem Grund wie er bei Sabine vorlag, nicht gegen die Regelungen der Basisschutzmaßnahmenverordnung (BaSchMV).
Behandlungspflicht der Krankenhäuser
Diese Verordnung könne Ärzten gegenüber aber keine rechtsverbindlichen Anordnungen treffen, wie in derartigen Fällen zu verfahren ist. Krankenhäuser nehmen laut Verordnung jedoch an Covid 19 erkrankte Personen auf und behandeln sie. In der Basisschutzmaßnahmenverordnung heißt es im Wortlaut:
„Notfallkrankenhäuser und Notfallzentren sind grundsätzlich im Rahmen ihres Versorgungsauftrags zur stationären Aufnahme und Behandlung von an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten verpflichtet.“
„Die Kassenärztliche Vereinigung hätte über die rechtliche Einordnung im Fall von Sabine Auskunft geben können müssen“, heißt es seitens der Senatsverwaltung.
Text: Sara Klinke