Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das viel diskutierte Berliner Vorkaufsrecht in Teilen beschnitten.
Das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung liegt, darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 9. November 2021 entschieden.
Klägerin erfolgreich
Die Klägerin, eine Immobiliengesellschaft, wendete sich gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts. Sie erwarb ein im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gelegenes Grundstück, das mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahre 1889 bebaut ist, in dem sich 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten befinden. Das Grundstück liegt in einem Milieuschutzgebiet.
Das Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus, um die Gefahr zu mindern, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt wird, wenn nach dem Kauf die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt würden.
Kein Erfolg in Vorinstanzen
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertige. Die sozialen Erhaltungsziele würden gefördert. Werde das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, seien nach Lage der Dinge die vom Bezirksamt aufgezeigten erhaltungswidrigen Entwicklungen zu befürchten. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Ausübung des Vorkaufsrechts liege nicht vor. Die zu erwartenden Nutzungen des Erwerbers seien ebenfalls zu berücksichtigen.
Bundesverwaltungsgericht gibt Klage statt
Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt. Es hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Der Beklagte durfte sein Vorkaufsrecht nicht ausüben. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist demnach ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel aufweist. Diese Voraussetzungen liegen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für den Senat daher bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts vor.
Florian Schmidt: „Herber Schlag.“
„Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten ist ein herber Schlag im Kampf gegen die Spekulation mit Wohnraum und gegen die Verdrängung von Menschen aus ihrer Nachbarschaft nicht nur in Berlin, sondern auch in allen anderen Städten“, twitterte Friedrichshain-Kreuzbergs Stadtrat Florian Schmidt (Grüne) am Dienstag. Damit das Vorkaufsrecht auch zukünftig genutzt werden könne, müsse der Bundesgesetzgeber schnell eine rechtliche Klarstellung vornehmen und das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten stärken, sagt Schmidt.
Text: red, Bild: IMAGO / Schöning