Siemensstadt Berlin
Siemensstadt 2.0

Konzept für die Siemensstadt 2.0 stößt auf Protest. Der Senat verteidigt sein Vorgehen.

Wenn es nach dem Senat und der Firma Siemens geht, soll sich das Gebiet rund um den bisherigen Produktionsstandort des Technologiekonzerns in der Spandauer Siemensstadt zu einem neuen Stadtviertel entwickeln – mit 2750 Wohnungen, Europa-Schule, Kitas und einem Innovationscampus. Darauf haben sich Landesregierung und Siemens im Jahr 2018 verständigt. Die ersten Bauarbeiten für die Siemensstadt 2.0, wie das Viertel genannt wird, sollen 2022 starten.

Planungswerkstatt sieht übereilte Weichenstellung

Doch nicht überall stoßen die Pläne auf Zustimmung. Die Planungswerkstatt Neue Siemensstadt, zu der sich Anwohner und Beschäftigte aus dem Kiez zusammengeschlossen haben, meldet jetzt Kritik an. Die Weichenstellung für das Bebauungskonzept erfolge „in unangemessener Eile“, warnt Volker Hormann von der Bürgerinitiative. Es mangele an Abstimmung mit Parallelprojekten wie dem Wohnviertel auf der Insel Gartenfeld und in der Wasserstadt Spandau.

Außerdem sei die Bürgerbeteiligung „ungenügend“. Der nun vorliegende Rahmenplan für das Gebiet sollte nach der frühzeitigen Bürgerbeteiligung durch das Abgeordnetenhaus zwar diskutiert, nicht aber durch den Senat bereits beschlossen werden. Vor einem Senatsbeschluss müssten noch ausstehende Fachgutachten vorliegen und beispielsweise der Nachweis gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse erbracht werden. Die geplante Dichte der Bebauung verletze geltende Bauvorschriften und vor allem die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse.

„Siemensbahn kommt für geplante Wohngebiete zu spät“

Kritisch sieht die Initiative auch die für 2029 geplante Wiederinbetriebnahme der alten Siemensbahn, einer 4,5 Kilometer langen S-Bahn-Strecke von Jungfernheide nach Gartenfeld, die seit 1980 stillgelegt ist. Die Siemensbahn komme für die geplanten Wohngebiete aber zu spät, glaubt Volker Hormann. Die Initiative sehe aber auch keinen Vorteil durch die geplante S-Bahn. Denn mit der U-Bahn-Linie 7 gebe es eine leistungsfähige Verbindung.

Als problematisch stuft die Initiative zudem die Lärmbelastung durch die geplante Bahnlinie ein. Bei ihrem Betrieb sei von einer Lärmbelastung von bis zu 74 Dezibel auszugehen – das liege 40 Prozent über den Richtwerten für Industriegebiete.

Kritik übt die Planungswerkstatt zudem daran, dass die ihrer Meinung nach „zerstörerische Wirkung der Hauptverkehrsachsen, namentlich der Nonnendammallee“ nicht ausreichend angegangen werde. Die offizielle Planung gefährde zudem die Stärkung der existierenden Versorgungszentren in der unmittelbaren Umgebung und im größeren Umfeld.

Initiative schlägt Internationale Bauausstellung vor

Die Bürgerinitiative empfiehlt für die Gestaltung der Siemensstadt ein anderes Vorgehen: „Da niemand, nicht Siemens, nicht wir, kein genialer Kopf, ein solches zukunftsorientiertes Quartier aus dem Ärmel schütteln kann, plädieren wir dafür, der Kreativität Raum zu geben und eine Internationale Bauausstellung zu initiieren.“

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verteidigt die Planung gegen die Kritik. Basis des Rahmenplans sei der städtebauliche Wettbewerb, der Anfang dieses Jahres entschieden worden sei. Begleitend dazu habe im September vergangenen Jahres ein öffentliches Forum mit einem dreiwöchigen Online-Dialog stattgefunden. Aktuell finde eine fünfwöchige frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung statt. Die Abstimmung zu Projekten im städtebaulichen Umfeld erfolge durch die enge Einbindung des Spandauer Stadtplanungsamtes.

Senat: Siemensbahn stärkt Fokussierung auf Nahverkehr

Für die verkehrliche Erschließung der Siemensstadt 2.0 spiele die Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn eine wichtige Rolle, da sie „die Fokussierung des Mobilitätskonzepts“ auf den öffentlichen Nahverkehr, den Fahrrad- und den Fußverkehr stärke. Die verkehrliche Belastung der Nonnendammallee oder die Ausgestaltung des Straßenraums der Nonnendammallee seien dagegen „überörtlich zu klären“, nicht im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens.

Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung der Berliner Zeitung

Datum: 7. November 2020, Text: Ulrich Paul, Visualisierung: Siemens AG