Bedürftige haben bald etwas mehr in der Tasche. Bild: IMAGO/Eibner
Bedürftige haben bald etwas mehr in der Tasche. Bild: IMAGO/Eibner

Ab Januar 2023 ist das Arbeitslosengeld II Vergangenheit. An seine Stelle tritt das Bürgergeld: mit höheren Regelsätzen und weniger Sanktionsmöglichkeiten. Die neue Sozialleistung ist nicht unumstritten.

Im Vergleich zu den Milliardensummen, die derzeit durch die Nachrichten geistern, ist es ein kleiner Geldbetrag. Doch er genügt, um handfeste politische Debatten vom Zaun zu brechen.

Es geht um 53 Euro. So groß ist der Unterschied zwischen dem Regelsatz für Arbeitslosengeld II und dem entsprechenden Level des Bürgergeldes, das „Hartz IV“ zum 1. Januar 2023 ablösen soll. Es gehört zum dritten Entlastungspaket der Bundesregierung. Der entsprechende Gesetzentwurf ist am 13. Oktober erstmalig Thema im Bundestag.

Keine Sanktionen für Arbeitslose

502 Euro beträgt der Bürgergeldsatz für Alleinstehende. Beim Arbeitslosengeld II sind es 449 Euro. Doch für Langzeitarbeitslose und andere Bedürftige soll es nicht nur um mehr Geld geben. Die Jobcenter sollen in Zukunft großzügiger mit der Lebenssituation von Leistungsempfängern umgehen. Heißt konkret: Während der ersten sechs Monate des Bezugs sind Sanktionen, also eine Verringerung von Leistungen, ausgeschlossen.

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Vonseiten der rot-grün-gelben Bundesregierung ist von einer „Vertrauenszeit“ und einem „neuen Miteinander“ die Rede. Menschen im Bezug der Sozialleistung sollen sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren können. Auch bei den Wohnkosten und der Anrechnung von Vermögen sollen die Zügel gelockert werden.

53 Euro genügen für einen Alleinstehenden, um übers Wochenende den Kühlschrank zu füllen. Aber nicht, um sich auf der Sonnenseite des Lebens zu wähnen. Genau diesen Eindruck wollen aber Kritiker des Bürgergeldes vermitteln. Oft sind es diejenigen, die sich seit Jahren gegen jede nennenswerte Erhöhung des Arbeitslosengeldes II jenseits des Inflationsausgleiches gesperrt haben.

CDU vermisst Anreize zum Arbeiten

„Ich bin sehr gespannt, ob es überhaupt noch irgendwelche Anreize gibt, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren“, tönte beispielsweise der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Auch beim Zentralverband des Deutschen Handwerks hält sich die Begeisterung für die neue Sozialleistung in Grenzen. Das Bürgergeld werde dazu führen, „dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten“, erklärte Präsident Hans Peter Wollseifer.

Merz und Wollseifer kennen sich in der Lebenssituation von Langzeitarbeitslosen offenbar wenig aus. Das Bürgergeld hat trotz der wolkig formulierten Ankündigungen der Bundesregierung nichts mit „Bullerbü“ oder Luxusleben zu tun. Es korrigiert lediglich einige Mängel, mit denen das Arbeitslosengeld II seit seiner Einführung im Jahr 2005 behaftet war.

Trendwende überfällig

Man denke nur an all die Sanktionen und andere Formen von Schikane, die Menschen durchaus fordern, aber kaum fördern. In all den Jahren ging die Langzeitarbeitslosigkeit kaum zurück. Gleichzeitig wuchs in Familien wegen viel zu geringer Regelsätze und zu wenig wirksamer Wiedereingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt die Armut.

Eine Trendwende ist überfällig. 53 Euro mehr im Monat können nur der Anfang sein.

Wie ist das bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser? Ist das Bürgergeld zu hoch? Nehmen Sie an unserer Umfrage teil. Das Abstimmungsfeld finden Sie in der rechten Seitenleiste. Oder schreiben Sie uns Ihre Meinung und Erfahrungen in die Kommentare oder an redaktion@berliner-abendblatt.de.

Text: Nils Michaelis