Start Ukraine Begleitung So hilft Berlin den Ukraine-Geflüchteten

So hilft Berlin den Ukraine-Geflüchteten

Hilfsliste
Liste mit benötigten Hilfsgütern, die gerade benötigt werden. Bild: Stefan Bartylla

Auf Europa wartet die größte humanitäre Krise der vergangenen Jahrzehnte. Man rechne mit über sieben Millionen Vertriebenen, die aus der Ukraine in die EU flüchten könnten, erklärte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, Janez Lenarcic, gegenüber der dpa.

In Berlin, als eine der nächsten Metropolen, stellen sich Bürger, Behörden, Institutionen und Vereine auf eine große Welle von ankommenden Ukraine-Flüchtlingen ein. “Was wird gebraucht?”, “Wo kann ich helfen?”, “Was kann ich spenden?”, “Wie kommt meine Hilfe sicher an?” lauten die Fragen, die sich viele Berliner, die sich für die ukrainischen Flüchtlinge engagieren wollen, gerade stellen.

Georgier sammelt und transportiert Hilfsgüter

Einer von ihnen ist der gebürtige Georgier und Wahlberliner Irakli Kemertelidze. Er betreibt das georgische Restaurant “Kin Za” in der Krausnickstraße in Mitte. Mit einem einzigen Facebook-Post und einer Spendenbitte löste er eine Welle der Hilfsbereitschaft aus.

Er selbst erlebte als Kind in Georgien die Folgen des Krieges – Ausweglosigkeit, Angst und Depression bestimmten damals sein Leben. Jetzt hat der Restaurant-Wirt einen Teil seines Gastraumes als Lager für Hilfsgüter umfunktioniert. Mit einem Klein-Lkw und zwei Transportern hat er sich Anfang der Woche auf den Weg in Richtung polnisch-ukrainischer Grenze gemacht. Insgesamt 70 Tonnen Hilfsgüter hat er sammeln können, um sie für weitere Konvois in Richtung Ukraine vorbereiten zu können.

Noch klappt die Organisation

Sergej ist Iraklis ukrainischer Freund aus Lübeck, den wir vor dem Restaurant in der Krausnickstraße am Montagmorgen treffen, während sich Irakl Kemertelidzei auf dem Weg in Richtung Ukraine befindet. Sergej erläutert: “Der telefonische Kontakt nach Kiew funktioniert noch. Viele Nachrichten erreichen uns über Whatsapp, Messenger und Co.” So ließe sich auch die Übergabe der Spendengüter in den Grenzgebieten zur Ukraine noch ganz gut organisieren.

Schwierige Voraussetzungen

“Nach unseren letzten Informationen ist Kiew aber jetzt von den russischen Truppen umzingelt. Wir haben deshalb auch Angst, dass wir bald den Kontakt von hier aus nicht mehr halten können. Eine Evakuierung der Leute wird dann auch nicht mehr möglich sein. Die russische Armee hat zudem damit begonnen, die Funknetze in den Städten auszuschalten. Noch hätten nicht viele Geflüchtete das Land verlassen können.

“Der Prozess läuft sehr zäh gerade von ukrainischer Seite aus. Frauen und Kinder lässt man raus. Männer im wehrfähigen Alter müssen aber zurückbleiben. Es ist ein zusätzliches Drama”, erklärt Sergej, der weiß, dass auf den polnischen und ungarischen Grenzseiten bereits Zelt-Camps zur Unterbringung der Flüchtlinge aufgebaut werden.

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Der Gastraun des Restaurants “Kin Za” von Irakli Kemertelidze am vergangenen Wochenende. Hier in der Kraußnickstraße 23 stapelte der Wahlberliner die Hilfsgüter. Foto: Privat, via Facebook.

“Es geht alles nur sehr langsam voran”, erklärt er. Sein Tipp für weitere Hilfsaktionen: “Schauen Sie sich bitte nach Spenden- und Hilfsmöglichkeiten im Netz um. Das Rote Kreuz, die ukrainische Botschaft und der Verband der Ukrainer in Deutschland e. V. brauchen Unterstützung.” Gebraucht werden auf jeden Fall Medikamente, Kindersachen, Essen, Schlafsäcke, Thermokleidung, Kissen und Schuhe.

Textile Spenden

Auf eine ukrainische Flüchtlingswelle möchte man auch bei „Komm und Sieh“ vorbereitet sein. Bei dem Inklusionsunternehmen der Berliner Stadtmission sammeln, sortieren und verteilen seit 2019 fünf Festangestellte mit und ohne Behinderung sowie drei Werkstudentinnen Textilspenden für bedürftige Menschen in so genannten „Textilhafen“, einem Industriehof in der Storkower Straße 139D.

Ressourcen verteilen

Annett Kaplow ist hier die Leiterin. “Die Kleiderspenden haben wir in den vergangenen Jahren vornehmlich an obdachlose Menschen verteilt. Wir sind ein Inklusionsunternehmen mit Mitarbeitern, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen haben – wir sind auf die Hilfe unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter angewiesen.  Natürlich beschäftigt sich die Berliner Stadtmission auch mit den bevorstehenden Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Unsere Ressourcen werden wir auch dafür zur Verfügung stellen können”, erklärt die Leiterin.

Textilhafen
Spendenübergabe im “Textilhafen” der Berliner Stadtmission in der Storkower Straße: v.r.n.l: Annett Kaplow, Detlef Hein, Johannes Baßler (alle Textilhafen), Matthias Bielor, Laurenz Terl (beide Spielplatzinitiative Marzahn), Martina Polizzi (Volkssolidarität Berlin).

Kleidung, Schuhe und andere brauchbare Textilien können werktags von 8 bis 18 Uhr
im Zentrum der Berliner Stadtmission am Berliner Hauptbahnhof, Lehrter Str. 68 abgegeben werden. Für kleinere Spenden sind Container vor dem Eingang dort aufgestellt.

Im Textilhafen in der Storkower Straße 139d können Kleiderspenden auch in größeren Mengen (ab fünf Säcken) werktags von 9 bis 16 Uhr abgegeben werden.

Zehn bis zwanzig Tonnen

“Zehn in Hochzeiten 20 Tonnen Kleidung sortieren und verteilen wir hier in jeder Woche. Wir sind ein Inklusionsunternehmen und beschäftigen fünf Menschen mit und ohne Behinderung hauptamtlich sowie drei Werkstudentinnen. Einige unserer Mitarbeitenden haben auf dem 1. Arbeitsmarkt keine Chance”, erklärt Annett Kaplow.

Erste Großlieferungen aus Marzahn

Am Freitag und Montag gab es schon die ersten großen Spendenfuhren von der Marzahn-Hellersdorfer Volkssolidarität und der Spielplatzinitiative Marzahn, mit Blick auf die Ukraine-Krise: “Fast zwei Anhänger voll mit Kleidung und Textilien haben wir zusammen bekommen. Hier im Textilhafen können wir sicher gehen, dass die Sachen auch für den guten Zweck genutzt werden: Ob für obdachlose Menschen aus Berlin oder für ukrainische Flüchtlinge ist uns dabei eigentlich auch egal”, erklärt Martina Polizzi von der Selbsthilfewerkstatt “machbar37”,  der Berliner Volkssolidarität, die unter Mithilfe der Spielplatzinitiative Marzahn e.V. mit dem großen Anhängerkoffer in der Storkower Straße vorfuhr.

Unterkünfte der Berliner Stadtmission

Die Berliner Stadtmission engagiert sich zudem noch auf anderen Wegen bei der Hilfe der Flüchtlinge aus der Ukraine. “Wir bieten auch ab sofort Teile unserer Immobilien dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin (LAF) als Unterkünfte für geflüchtete Menschen aus der Ukraine an”, erklärt Stadtmissionsdirektor Christian Ceconi und ergänzt: „Uns als Berliner Stadtmission ist es wichtig, dass die Menschen, die von Zuhause vertrieben worden sind, hier bei uns vorübergehend eine Heimat finden und sich willkommen fühlen.“ 

Wer sich ehrenamtlich für geflüchtete Menschen engagieren möchte, kann sich auf der Homepage der Berliner Stadtmission darüber informieren, wo aktuell Unterstützung benötigt wird. Das Angebot reicht vom Sprachtraining mit Geflüchteten im Projekt „Refugio“  in Neukölln bis zum Leiten einer Sportgruppe  im Projekt „Begleitprogramm – Learning by doing“ in Spandau.

Aktuelle Einsatzmöglichkeiten für geflüchtete Menschen aus der Ukraine werden bei Bedarf ebenfalls online gestellt: https://www.berliner-stadtmission.de/ehrenamt

Ukrainischer Verein sammelt Medikamente

Weitere Möglichkeiten, um sich an Hilfsaktionen für Flüchtlinge n der Ukraine zu beteiligen, bieten der „Zentralverband der Ukrainer in Deutschland e.V. – ZVUD“. Dieser sammelt vor allem medizinisches Material und nimmt Angebote für Schlafplätze für Geflüchtete hier in der Stadt entgegen. Ein Mailkonakt zum Verband gibt es hier: info_zvud@gmx.de

Humanistenverband bietet Übernachtungsplätze

Auch der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg (HVD BB) hat einen Krisenstab eingerichtet und wird ein Bündel von Maßnahmen auf den Weg bringen, um aus der Ukraine geflüchteten Menschen zu helfen.

Man werde alles dafür tun, sagt Vorständin Katrin Raczynski, mit der gesamten Infrastruktur von rund 17.000 Mitgliedern, unbürokratische Hilfe zu leisten. Dazu zähle die Bereitstellung von bis zu 150 Übernachtungsplätzen im eigenen Hotel H+ Hotel 4Youth für geflüchtete Menschen/Familien, die Abstimmung mit Hilfsorganisationen bei der Suche nach weiteren Unterkünften und der Aufbau eines Pools einsatzbereiter Ehrenamtlicher.

Darüber hinaus hat der Verband eine E-Mail-Adresse eingerichtet, unter der Bedarfe angemeldet werden können: ukrainehilfe@hvd-bb.de

Text/Bilder: Stefan Bartylla