So groß ist die Flaute im Studio Babelsberg, dass offenbar rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit dem 1. September Kurzarbeit verrichten. Und das an einem Ort, den Quentin Tarantino „aufregender als die Hollywood-Studios“ fand. 2022 ist die Institution zum Fang einer „Heuschrecke“ geworden. Jedenfalls hat exakt jene Fondsgesellschaft, die Franz Müntefering 2004 als damaliger SPD-Chef auf diese Weise etikettiert hatte, die Mehrheit am Unternehmen gekauft.
TPG heißt dieser Konzern, der weltweit operiert. Die Tochterfirma, die das Studio Babelsberg betreibt, nennt sich Kino BidCo GmbH. Nun ist von abgeblasenen Großprojekten die Rede, zum Beispiel einem neuen Wes-Anderson-Film. Und von ökonomischen Zwängen, die diese Stätte in die Bredouille gebracht haben.
Erfolg bis in die Nuller- & Zehnerjahre
Die Illusionswelt in Babelsberg war das Mesopotamien der Lichtspielgeschichte. In diesem Groß-Atelier hat in den 1920er-Jahren das Weltkino seine Formensprache entwickelt – ehe der US-Gründergeist das südkalifornische Hollywood zum Maß aller Kinodinge machte. Das Studio blieb populär bis ins 21. Jahrhundert, auch nach der DEFA-Ära. Das Auftragsbuch war in den Nuller- und Zehnerjahren zeitweise bestens gefüllt, mit Top-Filmen wie „Das Bourne Ultimatum“, „Inglourious Basterds“ „Bridge of Spies“ und „Grand Hotel Budapest“. Für eine nationale Erfolgsgeschichte steht, natürlich, die Fertigung der „Babylon Berlin“-Saga, die sich bestens internationale verkauft hat.
21 Studios verteilen sich auf das 173.000-Quadratmeter- Areal. 108 Menschen arbeiten fest auf diesem Gelände; wenn gedreht wird, rücken die Filmcrews an. Erst 2016 ist das „Metropolitan Backlot“ eingeweiht worden, auch als „Neue Berliner Straße“ bekannt. Ein Filmset, das die Architektur eines Großstadtviertels andeutet und je nach Wunsch die Fassade wechselt. 2021 ist erstmals eine riesige LED-Installation zum Einsatz gekommen, vor deren Hintergrund die Darsteller täuschend echt eingeblendet werden.
Mehr Brot-und-Butter-Jobs
Co-Vorstandschef Andy Weltman, US-Amerikaner und seit 2022 auf der Kommandobrücke, ließ verlautbaren, es gebe derzeit keine Pläne, Studio Babelsberg zu verkaufen oder aufzulösen. Weniger Glamour, mehr Brot-und-Butter-Jobs, das könnte ein neuer Plan sein. Es geht um eine Mixtur aus Kapitalismus und Kreativ-Industrie.
Denn der Investor TPG ist auch ein Player bei den Kreativen – mit mehr als 80 Studiohallen, in den US-amerikanischen Städten ebenso wie in Europa. Das Atelier in Babelsberg ist das Schmuckstück in diesem Imperium. Es geht um Profite im Film- und Fernseh-Business. Ob dabei irgendwann auch am Personal gespart wird? Die Gewerkschaft „verdi“ beobachtet die Entwicklungen.
Der Anfang vom Ende?
Ein Ausverkauf des Geländes, etwa an die Immobilienbranche, ist eine Tragödie, die Regie-Altmeister Volker Schlöndorff („Die Blechtrommel“) an die Wand gemalt hatte. In den 1990er-Jahren war er zeitweise Geschäftsführer in Babelsberg. Ein solches Verscherbeln wäre der Anfang vom Ende. Doch es gibt die Meinung, dass so ein Verlust zu groß wäre, als dass er für den politischen Betrieb in der Öffentlichkeit darstellbar wäre. Denn für Immobilienprojekte müsste ein Baurecht erteilt werden. Ein Beschluss dieser Art wäre in der Film- und Medienstadt Potsdam politisches Harakiri.
Zudem blicken sie in Babelsberg auf die Politik im Kulturstaatsministerium von Claudia Roth. Dort wird eine Reform des deutschen Filmfördersystems diskutiert. Das heutige System ist Schrecknis für Finanziers und administratives Monster. Jüngst versprach Roth, Steueranreize und eine so genannte Investitionsverpflichtung zu fixieren. Mit einer „Investitionsverpflichtung“ ist gemeint, dass etwa Streaming-Plattformen dazu gezwungen sind, Gewinne aus hiesigen Produktionen in Deutschland zu reinvestieren. Auch der Bürokratie-Kropf soll behandelt werden
Text: WU