Weddinger Mieter hoffen, dass der Verkauf ihres Hauses an einen Investor noch abgewendet werden kann.
„Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Art“ – dieser vielzitierte erste Satz in Tolstojs Roman „Anna Karenina“ lässt sich derzeit auch auf einige Berliner Hausgemeinschaften anwenden. Wobei das Wort unglücklich auf die Mieterschaft des Eckhauses Kameruner Straße 58/ Müllerstraße 131 nun nicht wirklich zutrifft. Die zeigen sich, seitdem das Schreiben, das den Verkauf ihres Hauses ankündigt, in ihren Briefkästen gelandet ist, nämlich vor allem kämpferisch.
Und sie rücken die positiven Aspekte ihrer aktuellen Situation in den Fokus. Den Zusammenhalt der Hausgemeinschaft etwa. „Wir kennen uns schon länger, haben die Entwicklung aber zum Anlass genommen, uns noch mehr zu vernetzen und häufiger zu treffen“, sagt Mieterin Chrissie L.. Der angedrohte Verkauf habe sie alle noch enger zusammengeschweißt. Sie möchte, dass „die Menschen hinter dem Haus“, das von dem bekannten Berliner Bauunternehmer Christoph Gröner gekauft werden soll, gesehen werden. 19 Mietparteien leben derzeit in dem Eckhaus, weitere elf Wohn- und zwei Gewerbeeinheiten stehen seit vielen Jahren leer.
Vernetzung mit anderen betroffenen Hausgemeinschaften
Und die Mieter, die hier teilweise seit mehr als 40 Jahren zu Hause sind, können sich nicht nur auf eine starke Hausgemeinschaft verlassen, sondern auch auf die Unterstützung anderer Mieter zählen, die sich in ähnlichen Situationen befanden oder befinden. Schützenhilfe gab es unter anderem von der krisenerprobten Mietergemeinschaft „AmMa 65 – Häuser Bewegen“ und der Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH / Team Wedding. „Wir haben viele Ideen und Vorschläge bekommen, wie wir vorgehen und was wir tun können.“ Auch zwischen dem Bezirksamt und den Mietern gebe es einen schönen Austausch. „Wir versuchen, sehr kooperativ mit dem Bezirksamt zusammenzuarbeiten und den Prozess zu verstehen.“
Angst vor Luxussanierungen und Mieterhöhungen
Dennoch, am Ende haben sie keinen Einfluss auf den Ablauf und die politischen Entscheidungen. Und die Zeit, die ihnen bleibt, ist knapp bemessen. Der Käufer Christoph Gröner hat sich bislang mit Sätzen wie „Es gibt kein Recht auf Wohnen in Kreuzberg“ wenig Freunde bei Mietern gemacht. Ihm gehören bereits einige andere Immobilien in Mitte und Friedrichshain.
Noch besteht die Hoffnung, dass er bis zum 9. November eine sogenannte Abwendungsvereinbarung unterzeichnet, mit derer Luxussanierungen und Mieterhöhungen vermieden werden könnten. Wird diese nicht unterzeichnet, kann das Bezirksamt noch von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Darauf hoffen nun auch die Mieter des Hauses.
Datum: 21. Oktober 2020, Text: kr, Bild: Privat/Mietergemeinschaft KaMü