Senat prüft massiven Ausbau des Tramnetzes / Schwerpunktgebiet ist Spandau
Im Oktober 1967 rollte die letzte Straßenbahn von Hakenfelde nach Charlottenburg. Damit war die Tram in Spandau und West-Berlin Geschichte. Zugunsten der autofreundlichen Stadt wurden die Gleise abgebaut. Abgesehen von wenigen Trassen, die nach der Wiedervereinigung entstanden, bilden die westlichen Stadtbezirke einen weißen Fleck im Straßenbahnnetz. Das könnte sich bald ändern.
Bis 2050 soll das Streckennetz der Straßenbahn von 194 auf rund 490 Kilometer wachsen. Zuwachs soll es vor allem in Spandau und anderen westlichen Stadtteilen geben. Das sieht der Bedarfsplan für den öffentlichen Personennahverkehr vor, den die Senatsverkehrsverwaltung gemeinsam mit dem Center Nahverkehr Berlin (CNB) erarbeitet hat. Die für die Jahre 2019 bis 2023 vorgelegten Eckpunkte sind die Basis für den künftigen Berliner Stadtentwicklungsplan Verkehr.
Inselbetrieb möglich
Die meisten Neubaustrecken sind in Spandau geplant. Dort sollen überlastete Buslinien ersetzt werden: nach Hakenfelde, zum Johannesstift, zum Hahneberg, nach Staaken, in die Wilhelmstadt und auf Gleisen der Havelländischen Eisenbahn ins Falkenhagener Feld. Auch das Rathaus Spandau soll einen Tramanschluss erhalten. Vier Routen sollen von Spandau Richtung Innenstadt führen: drei über die Heerstraße, Ruhleben und Haselhorst–Siemensstadt nach Charlottenburg, eine zur „Urban Tech Republic“ nach Tegel. Spandau habe vorrangigen Bedarf, so die Planer. Dort könnte ein Inselbetrieb entstehen, der später mit dem restlichen Netz verbunden wird.
Neue Stadtviertel sollen ebenfalls Straßenbahnanschluss erhalten: so etwa die Wasserstadt Oberhavel und die Urban Tech Republic auf dem Gelände des heutigen Flughafens Tegel. Im Norden würde eine Trasse zum Märkischen Viertel und in den Pankower Ortsteil Rosenthal führen. Derzeit liegt auch hier die Hauptlast des Nahverkehrs noch auf überlasteten Bussen wie dem M21. Im Ostteil der Stadt sind einige Lückenschlüsse geplant. Alte Strecken zum Zoo und zum Halleschen Tor könnten reaktiviert werden.
Der Bedarfsplan ist langfristig angelegt. Manche Trassen, etwa die Spandauer Strecken nach Heerstraße Nord oder ins Falkenhagener Feld, würden voraussichtlich erst Ende des kommenden Jahrzehnts gebaut. Politisch entschieden ist ohnehin noch nichts. Vieles ist ungeklärt, das gilt zum Beispiel für die Finanzierung und für die Frage, ob es in Ingenieurbüros und der Verwaltung genug Fachleute gibt, um die Strecken zu planen.
U-Bahn bevorzugen
Die Berliner FDP kritisierte die Straßenbahnpläne. In der wachsenden Stadt müssten leistungsfähigere Verkehrsmittel wie die U-Bahn Vorrang haben. Die Bezirksverordnetenversammlung Spandau hatte sich im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, die Lücke zwischen den U-Bahnlinien 2 (Bahnhof Ruhleben) und 7 (Station Rathaus Spandau) mit einer neuen U-Bahn-Trasse zu schließen. Außerdem sollte das Expressbus-Angebot auf den Linien X30, X36, X49 verbessert werden.
Auch Baustadtrat Frank Bewig (CDU) sieht allein in neuen Straßenbahntrassen und in der ebenfalls, ab 2031 in Aussicht gestellten Verlängerung der S-Bahn nach Falkensee mit einem Abzweig ins Falkenhagener Feld, keine tragfähige Lösung. „Es wäre ein Riesenfehler, auf den U-Bahnausbau zu verzichten“, sagte Bewig auf einer Veranstaltung des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes. Die U2 sollte in Zukunft bis ins Falkenhagener Feld und die U7 bis zur Heerstraße Nord fahren. Die CDU Spandau kündigte dieser Tage ein eigenes Verkehrskonzept an.
Datum: 30. Mai 2018. Text: Redaktion, Bild: imago/Jürgen Heinrich