Wie eine Idee aus Kopenhagen jetzt auch Deutschland erobert.
Es ist Samstagnachmittag, 16 Uhr. Auch für die Langschläfer neigt sich die Frühstückszeit dem Ende zu. Im Restaurant Kopps in der Linienstraße 94, werden die Tische für das Abendessen eingedeckt. Obwohl das Restaurant über die Nachmittagszeit schließt, stehen Menschen vor der Tür. Mitarbeiter Osman Aybek verteilt Styroporboxen. Für vier, anstatt 15 Euro kann sich am Buffet bedient werden. Die Auswahl ist genauso groß wie um 9.30 Uhr. Vor eineinhalb Jahren noch hätte das Restaurant das Essen entsorgen müssen und damit seinen Beitrag zu den in Deutschland jährlich 19 Millionen Tonnen weggeworfenen Lebensmitteln geleistet. Hinter der neuen Nachhaltigkeit steht das öko-soziale Start-up „To Good to Go“, eine App im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung.
Viele Filterfunktionen
Nach einer kulinarischen Massenkonsumerfahrung bei einem „All-you-can-it-Buffet“ in Kopenhagen im Frühjahr 2015 wurde die App in Dänemark von fünf Freunden entwickelt. Mittlerweile wird sie in acht europäischen Ländern genutzt. Die Handhabung ist simpel: Die 420 in Berlin teilnehmenden Betriebe – vom Tante-Emma-Laden bis zum Nobelhotel – geben an, wie viele Portionen kurz vor Küchenschluss voraussichtlich übrigbleiben und wann diese abgeholt werden können. Der Nutzer erhält eine Beschreibung der Restaurants und kann nach kulinarischer Vorliebe, Entfernung und Abholzeit filtern. Bezahlt wird direkt über die App.
Individuell zugeschnitten
Nach dem Motto „Essen retten, Geld sparen, Welt verbessern“, lebt auch Teresa Rath, Mitarbeiterin bei der Berlin-Filiale von „To Good-To Go“ in der Metzer Straße. Nachhaltige Ernährung und Umweltschutz waren für sie schon immer wichtige Themen – aber nicht so richtig greifbar. „Jeder Mensch hat jeden Tag einen Bezug zu Essen und Lebensmittelverschwendung“, sagt sie. „To Good To Go“ verfolgt ein Vermittlungskonzept, dass es so noch nicht gab. Anders als zum Beispiel bei Foodsharing sind die Mengen auf eine Person zugeschnitten, und es können auch frische und leicht verderbliche Lebensmittel weitergegeben werden.
Expansion geplant
Pro verkaufter Mahlzeit erhält ihre Firma einen Euro als Provision vom teilnehmenden Gastronomiebetrieb. Obwohl der nicht viel daran verdient, kommen kontinuierlich neue Firmen dazu, weil sie so nicht nur ihren ökologischen Fußabdruck minimieren, sondern auf diese Weise auch Menschen begrüßen können, die es sich normalerweise finanziell eigentlich nicht leisten können. Teresa Rath weiß, dass eine Initiative allein die wahnsinnige weltweite Ressourcenverschwendung nicht verhindern kann. „Wenn Lebensmittelverschwendung ein Land wäre, wäre es nach den USA und China der drittgrößte CO2-Emittent“, sagt sie. Und nicht nur das. Weltweit hungern mehr als 815 Millionen Menschen. Würde nur die Hälfte des weggeworfenen Essens gerettet werden, könnte die ganze Welt satt werden.
Und dennoch ist „To Good To Go“ für Teresa und ihre Mitstreiter eine konkrete Lösung im Wirrwarr der Schuldzuweisungen, wenn es um unsere Umwelt geht. Auch deshalb freut sie sich, dass ihr Unternehmen die Expansion in viele weitere Länder und Städte plant.
Text: Katja Reichgardt, Bild: Teresa Rath