Berliner Polizisten trainieren fußballbegeisterte Flüchtlingskinder.
Silvester dribbelt gekonnt an Andreas Strauch vorbei, dann versenkt er den Ball direkt ins Tor. Der 12-Jährige aus Kenia lässt dem gleichaltrigen Abou Fasil aus Afghanistan keine Chance. Anschließend schnappt sich Mina das Rund und fegt über den Platz, verfolgt von Arasch und Said. Fröhliches Lachen schallt über den Sportplatz der Romain-Rolland-Schule in der Cité Foch. Die internationale Kinder-Elf ist voll bei der Sache. Das regelmäßige Fußballtraining lässt sie das oft unwirtliche Leben in den Flüchtlingsunterkünften vergessen.
Einmaliges Projekt
„Heute sind wir nur elf, einige haben abgesagt, Zuckerfest geht ausnahmsweise vor“, sagt Frank Radunz, Polizeihauptkommissar der Direktion 1, Bereich Interkulturelle Aufgaben. Zweimal wöchentlich trainiert der 53-Jährige Fußballfan mit seinem Kollegen Andreas Strauch die bunt gemischte Truppe. N.i.A.s – „Nicht im Abseits stehen“ – heißt das Polizei-Projekt, das seit 2013 in Kooperation mit dem SC Borsigwalde und dem Reinickendorfer Bezirksamt läuft. „Einmalig in Berlin, wohl auch in Deutschland“, sagt Radunz. „Ein wichtiges Stück Prävention, das Verhalten, Charakter, Fairness und Respekt formt, auch Vertrauen in die Polizei aufbaut. Die Kinder lernen fußball-spielerisch Regeln, die ihnen das Einleben erleichtern.“
170 Kinder und Jugendliche trainierten sie bisher, darunter richtige Talente. „Kleine Stars, die einmal große werden könnten. Etliche von ihnen haben wir schon in örtliche Clubs vermittelt“, freut er sich. Das jeweils einjährige Training ist ein Gewinn nicht nur für die Jungen und Mädchen. Auch die Eltern werden einbezogen; manche feuern ihren Nachwuchs vom Spielfeldrand an. Die beiden Polizisten fahren zu den Unterkünften, holen die Kinder ab und bringen sie zurück. Sie reden mit den Eltern, verpflichten sie, auf den regelmäßigen Schulbesuch ihrer Sprösslinge zu achten. „Wer die Schule schwänzt, fliegt aus dem Training“, sagt Radunz. Ebenso wichtig ist die Sprache, weil auf dem Platz nur Deutsch gesprochen werde. Es sei ganz erstaunlich, wie schnell die Kinder damit klar kämen. Längst haben sich gute Kontakte entwickelt, die eine nachhaltige Integration unterstützen.
Regeln lernen
Die geflüchteten Familien erfahren hautnah, dass der Polizist – oft anders als in ihren Herkunftsländern – ein helfender Freund ist und gar ein guter Trainer sein kann. Einerseits. Andererseits lernen sie zu akzeptieren, dass das Durchsetzen von Recht und Ordnung nicht verhandelbar ist.
Vereine motivieren
Viel zu schnell sind die 90 Trainings-Minuten um. Alle haben toll mit gehalten. Sie zehren noch von der Begegnung mit Jimmy Hartwig Ende Mai auf dem N.i.A.s.-Turnier. Die HSV-Fußballlegende war einer der ersten farbigen Spieler der Bundesliga, hat Diskriminierung und Rassismus am eigenen Leib erfahren. Heute ist er Integrationsbotschafter des DFB und motiviert Vereine, Integration selbst in die Hand zu nehmen. „Ein toller Typ, der zu begeistern versteht. Die Kinder lieben ihn, liefen nach dem Treffen mit stolzgeschwellter Brust rum“, schwärmt Frank Radunz und hofft, dass der HSV-Star vielleicht auch zum nächsten Turnier die Aufmerksamkeit auf das einmalige Berliner Polizei-Integrations-Projekt zieht.
Text & Bilder: Jürgen Zweigert