Justiz: Sender zieht Haftanordnung gegen Kathrin Weihrauch wegen rückständiger Rundfunkbeiträge zurück.
Es war ein Kampf wie David gegen Goliath. Die Berlinerin Kathrin Weihrauch hat sich mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) angelegt und am Ende den mächtigen Sender besiegt. Die Brandenburgerin weigert sich seit drei Jahren ihre Rundfunk- und Fernsehgebühren zu zahlen. Konkret geht es um 309,26 Euro. So viel schuldet Weihrauch mit Mahn- und Säumniszuschlägen dem rbb allein für nicht gezahlte Beiträge für 2013. Nachdem Kontopfändung und Zwangsvollstreckung gescheitert waren und die GEZ-Rebellin auch noch eine Vermögensauskunft verweigerte, erwirkte das Landgericht Brandenburg/Havel eine Erzwingungshaft. Sechs Monate sollte Kathrin Weihrauch hinter Gitter. Jetzt hat der Sender klein beigegeben und seinen Antrag auf Haftanordnung gegen die Schuldnerin zurückgezogen. Ein historischer, wegweisender Sieg.
Sender in der Zwickmühle
Hat am Ende beim rbb die Vernunft gesiegt? Die Kosten für den Gefängnisaufenthalt von Kathrin Weihrauch hätte der Sender erst einmal selber zahlen müssen. Jeder einzelne Tag hätte ihn 146,87 Euro gekostet. In sechs Monaten wären das 26.436,60 Euro gewesen. Der Fall zeigt die Zwickmühle, in der die öffentlich-rechtlichen Anstalten stecken. Denn obwohl Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht die sogenannte pauschale Haushaltsabgabe als rechtmäßig gewertet haben, hält sich in Teilen der Gesellschaft hartnäckiger Widerstand. Vier Millionen Bundesbürger sollen sich mittlerweile weigern, den Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro monatlich zu zahlen. Die häufigste Begründung: Wir wollen nicht für etwas zahlen, was wir gar nicht nutzen. So argumentiert auch Kathrin Weihrauch. Andere halten den Umgang mit den Gebühren für intransparent oder beschimpfen die Sender als Lügenpresse. Die Thüringerin Sieglinde Baumert gilt unter den Gebühren-Gegnern als Heldin, nachdem sie wegen säumiger 191 Euro 61 Tage im Knast saß.
Kein Präzedenzfall
Mit der Aufhebung der Haftanordnung habe Kathrin Weihrauch allerdings keinen Präzedenzfall für andere Zahlungsverweigerer geschaffen, betont der rbb in einer Stellungnahme. „Das ist ein Einzelfall. Wer sich weigert, geltendes Recht anzuerkennen – nichts anderes ist der Rundfunkbeitrag – muss mit Konsequenzen rechnen“, sagt rbb-Sprecher Demmer. Trotzdem habe der Sender kein Interesse, es wegen der Rundfunkbeiträge zu Vollstreckungsverfahren kommen zu lassen. Und so bleibt es auch für Weihrauch bei der Beitragspflicht und den Beitragsschulden. Wie diese Konsequenzen aussehen sollen, nachdem bereits alle Register, bis auf die Inhaftierung, gezogen wurden, ist noch unklar. „Der Sender wird jetzt weiter versuchen, im Austausch mit der Betroffenen eine dauerhafte Lösung zu finden“, sagt Demmer.
[accordion]
[acc_item title=“Wissenswertes zum Rundfunkbeitrag“]
Mahnungen nehmen zu
Zum Stichtag Ende 2015 befanden sich rund zehn Prozent aller Beitragskonten im Mahnverfahren, dies entspricht rund 4,9 Millionen Konten. Hinter wie vielen dieser Konten tatsächlich bewusste Beitragsverweigerer stecken, lässt sich nur erahnen – ein großer Teil dürfte schlicht auf säumige Beitragszahler entfallen. Trotzdem: Von 2013 bis 2015 stiegen die jährlichen Mahnmaßnahmen von 15 auf 25 Millionen, in den Jahren zuvor hielten sich die Maßnahmen konstant bei etwa 14 Millionen. Gewaltig gestiegen sind ebenso die Vollstreckungsersuche der Sender, zum Beispiel die Pfändung von Konten. Rund 1,4 Millionen waren es im vergangenen Jahr, zwei Jahre davor waren es nur halb so viel.
Nicht gebührenpflichtig
Wer kein oder wenig Geld hat, kann sich vom Rundfunkbeitrag befreien lassen. Die entsprechenden Nachweise müssen dafür vorgelegt werden: zum Beispiel bei Hartz 4, BAföG, Sozialhilfe oder Asylbewerberleistung. Möglich für eine Befreiung sind auch körperliche Beeinträchtigungen etwa bei Blinden oder Gehörlosen. In Wohngemeinschaften ist es wichtig zu prüfen, ob der Haushalt die Gebühren bereits zahlt.
[/acc_item]
[/accordion]
Daniel Seeger, Bild: imago/Future Image