Wegen knappem Personal werden nur nötigste Aufgaben wie Kinderschutz erfüllt.
Das nächste Bezirksamt und der nächste Senat werden um die Lösung eines Problems nicht umhin kommen. In einem Brandbrief aus dem Jugendamt Steglitz-Zehlendorf hieß es jüngst: „Muss denn erst ein Kind zu Tode kommen, dass die Verantwortlichen aufwachen?“ Die vier Unterzeichner, darunter Personalrat Stephan Göldner, beschreiben katastrophale Zustände: Präventionsarbeiten und Familienberatungen könnten nicht mehr angeboten werden, Mitarbeiter seien seit Jahren überlastet, immer wieder müsse über Wochen geschlossen werden, um Rückstände abzuarbeiten. Und der Kinderschutz? Der beschränke sich nur noch auf die schlimmsten Fälle. Immerhin: Laut Göldner gab es bisher keinen Fall, bei dem das Kindeswohl geschädigt wurde. „Dies liegt aber daran, dass die Mitarbeiter einen sehr hohen Verantwortungsanspruch haben und weit über ihre Grenzen gehen“, sagt er. Wie lange die Beschäftigten das durchhalten sei fraglich. Schon jetzt sind die Krankenstände gravierend.
Viele Abgänge.
Dem Bezirk gelingt es indes nicht, langfristig neues Personal zu akquirieren und zu halten. Dieses Jahr konnten die Jugendämter zwar 30 Stellen neu besetzen, in der gleichen Zeit gab es aber fast ebenso viele Abgänge. Neue Kollegen seien geschockt von den Arbeitsbedingungen und bewerben sich anderweitig, heißt es in dem Brandbrief. Die Lösung scheint klar: mehr Geld, mehr Personal, mehr Entlastung für die Kollegschaft. Doch gerade am Geld hapert es. Eine Sozialarbeiterin ohne Berufserfahrung bekommt am Anfang etwa 1.690 Euro brutto, das sind monatlich rund 150 Euro weniger als in Brandenburg. Dieses Problem sieht auch Jugendsenatorin Sandra Scheeres. Bei neuen Tarifgesprächen könne Berlin allerdings nicht allein agieren, ohne Gefahr zu laufen, aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgeschlossen zu werden, sagt Senatssprecher Ilja Koschembar. Trotzdem setze sich Scheeres in den aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen für eine bessere Bezahlung ein. Den Bezirken rät Koschembar, bereits bestehende tarifliche Möglichkeiten offensiver auszuschöpfen. Laut Bezirk reiche das Budget von Seiten des Senats jedoch nicht einmal aus, die Zielzahlen des Personalabbaus zu finanzieren. „Es müssen Stellen unbesetzt bleiben, weil das Geld fehlt“, sagt Petra Margraf, Referentin der Jugendstadträtin Christa Markl-Vieto. An diesem Problem würden auch „öffentlichkeitswirsame zusätzliche“ Stellen nichts ändern. In Abstimmung mit den Bezirken hatte der Senat 2015 und 2016 zusätzliche 172,8 Vollzeitstellen für Berlins Jugendämter bewilligt. „Aus unserer Sicht wäre es wichtig, zunächst die vorhandenen Stellen zu 100 Prozent zu finanzieren“, sagt Margraf.
Daniel Seeger, Bild: Getty/Lisa5201