Heute schon irgendwo festgeklebt? Warum die Protestaktionen der „Letzten Generation“ zum Scheitern verurteilt sind.
Es ist paradox: Mit ihren Protestaktionen will die Initiative Letzte Generation Politik und Gesellschaft wachrütteln, um endlich mutige Schritte gegen die größte globale Krise unserer Zeit zu ergreifen: den Klimawandel. Mit wiederholten Autobahnblockaden und dem Beschmieren von weltberühmten Gemälden werden sie dabei allerdings nicht weit kommen.
Die Ziele der Letzten Generation sind richtig und wichtig. Und je bedeutsamer ein Ziel ist, desto lauter, kreativer und radikaler darf oder muss der Protest sein. Ansonsten wird er nicht gehört.
Und doch: Dass die Initiative in jüngster Zeit für ihre Forderungen auf breiteren Widerhall (der an sich zu wünschen wäre) gestoßen wäre, wird wohl niemand behaupten. Da helfen auch keine gelegentlichen Sympathiebekundungen für Menschen, die sich auf dem Asphalt festgeklebt haben. Wieder mal, muss man schon sagen.
Radikalität verpufft
Und das ist der Punkt. Der Protest der Letzten Generation nutzt sich ab. Die zum Äußersten entschlossene Radikalität verpufft. Die Aktionen treffen meist die Falschen und schießen übers Ziel hinaus. Sitzblockaden auf Autobahnen sorgen kaum noch für Aufsehen oder gar Erweckungsgefühle in Sachen Klimaschutz. Wohl aber für Frust unter Auto- und Lkw-Fahrern, die im Stau stehen. Und an Kartoffelbrei-Attacken in Museen hat sich die Mehrheit auch längst gewöhnt.
Fast möchte man sagen: Fällt diesen überwiegend jungen Menschen, die die Welt retten möchten, nichts Besseres ein? Sind Farbbeutelattacken auf die Zentralen von Parteien, die die Klimapolitik in Deutschland zu verantworten haben (und somit legitime Adressaten für Protest darstellen) der Weisheit letzter Schluss?
Wer Menschen von seinen Zielen überzeugen möchte, braucht nicht nur Aktionen und Parolen, sondern auch Argumente und Visionen dafür, wie sich die Gesellschaft gemeinsam zu einer besseren umgestalten lässt. Nur so kann man Menschen mitreißen. Diverse revolutionäre Bewegungen haben es vorgemacht. Und genau so eine behauptet die Letzte Generation zu sein.
Harsche Kritik
Auf dem Weg in die Köpfe und Herzen der Menschen steht ihr wohl ihr moralischer Rigorismus im Wege. Dieser trat nach dem Tod einer Radfahrerin in Wilmersdorf besonders deutlich zutage.
Ein in Teilen in verschiedenen Medien veröffentlichter Untersuchungsbericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Rettung der von einem Betonmischer überrollten Frau zumindest denkbar gewesen wäre, wenn die Feuerwehr nicht in dem von den Klimaschützern verursachten Stau stecken geblieben wäre. Die Letzte Generation wurde deswegen harsch kritisiert.
Wenige Tage, bevor jener Bericht lanciert wurde, teilte sie mit: „Was immer uns als Menschen an öffentlicher Hetze entgegenschlagen mag, wird uns nicht davon abbringen, das einzig moralisch Richtige zu tun: In einer alles entscheidenden Krise nicht zu verharren, sondern loszugehen.“
Bedeutungslosigkeit droht
Mit dieser Einstellung geht die Letzte Generation langfristig womöglich dorthin, wo sie garantiert nicht hinwill. Und wo sie auch nicht hingehören sollte: in die Bedeutungslosigkeit.
Was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser? Gehen die Klima-Protestaktionen der „Letzten Generation“ zu weit? Nehmen Sie an unserer Umfrage teil. Das Abstimmungsfeld finden Sie in der rechten Seitenleiste. Oder schreiben Sie uns Ihre Meinung und Erfahrungen in die Kommentare oder an redaktion@berliner-abendblatt.de.
Text: Nils Michaelis