Seit seiner Einführung im Jahr 2005 wurde Hartz IV immer wieder heftig kritisiert. Der Nachfolger heißt Bürgergeld und verspricht unter anderem höhere Regelsätze. Zudem sollen Arbeitssuchende in den Jobcentern künftig weniger Druck ausgesetzt sein. Heute hat das Bundeskabinett den Weg dafür frei gemacht.
Lange war es angekündigt und geplant, nun findet Hartz IV, so der umgangssprachliche Begriff für Arbeitslosengeld II, ein wesentlicher Teil der Agenda 2010, durch die Ampel-Koalition sein sehr wahrscheinliches Ende. Am heutigen Mittwoch stimmte das Kabinett dem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums von Minister Hubertus Heil (SPD) zu.
Somit soll das Bürgergeld ab dem 1. Januar des kommenden Jahres Hartz IV ablösen – und mit ihm eine Reihe von Regeln wegfallen oder geändert werden. Mit dem Beschluss des Bundeskabinetts ist der Weg für die parlamentarischen Beratungen der Sozialreform frei. Die Kosten für die Reform sollen alleine 2023 rund 4,8 Milliarden Euro betragen, die zum größten Teil mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt gedeckelt werden sollen.
Höhere Regelsätze als bei Hartz IV
So werden unter anderem die Regelsätze der Grundsicherung von 449 auf 502 Euro im Monat für Alleinstehende steigen. Angesichts einer steigenden Inflation und sich weiterhin abzeichnenden Kostensteigerungen durch den Krieg in der Ukraine, speziell im Energiesektor, halten manche Experten selbst diese Steigerung für zu gering.
Kabinett sieht neuen Regelsatz von 502 Euro monatlich vor
Doch nicht nur Alleinstehende werden von steigenden Regelsätzen profitieren. Für volljährige Partner soll es künftig 451 Euro pro Monat geben. Kinder zwischen 14 und 17 Jahren werden 420 Euro erhalten. Für Kinder zwischen 6 bis 13 Jahren sind 348 Euro monatlich vorgesehen. Bei der Berechnung der Regelsätze wird erstmals ein neues Verfahren angewandt, das nicht nur die zurückliegende, sondern auch die erwartete Inflation berechnet.
Weniger Druck in den Jobcentern
Zudem verspricht die Ampel-Koalition mit der Einführung des neuen Bürgergeldes auch eine gerechtere Behandlung von Arbeitslosen und Bedürftigen. Dies soll unter anderem durch weniger Druck in den Jobcentern für alle Menschen auf Arbeitssuche erreicht werden. So sollen im ersten halben Jahr, der sogenannten Vertrauenszeit, zum Beispiel keine Sanktionen verhängt werden dürfen – so wie bislang üblich, wenn etwa ein Jobangebot ausgeschlagen wurde. Zudem sollen drohend wirkende Ansprachen vermieden werden, hieß es, Weiterbildung soll hingegen gestärkt werden.
Die Sanktionen im Rahmen des Hartz-IV-Systems waren immer wieder heftig umstritten. Zudem zeigte erst vor wenigen Tagen eine neue Studie vom Berliner Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES) auf, dass die Sanktionen bei Hartz IV ihr Ziel in der Regel verfehlen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass sich die Menschen vielmehr zusätzlich stigmatisiert fühlten statt motiviert, ihre Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu intensivieren.
Bereits im Juni dieses Jahres hatte der Bundesrat einem Vorhaben der Bundesregierung zum Aussetzen der Sanktionsregeln in der Grundsicherung für Arbeitssuchende bis 30. Juni 2023 zugestimmt. Jobcenter dürften in dieser Zeit bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen erlassen.
Kritik am Bürgergeld
Zudem sind eine Reihe weiterer Erleichterungen für Arbeitssuchende eingeplant. So sollen die Kosten für die Wohnung, auch größere, in den ersten beiden Jahren in Zukunft voll übernommen werden. Wer auf Ersparnisse von bis zu 60.000 Euro zurückgreifen kann, soll diese künftig behalten dürfen.
Zudem sollen die Zuverdienstmöglichkeiten verbessert werden. Bislang durften ALG-II-Bezieher lediglich 100 Euro im Monat dazuverdienen. Ab Januar 2023 sollen jedoch vor allem Schüler, Auszubildende aber auch Erwachsene mehr vom eigenen Zuverdienst für sich behalten dürfen.
Scharfe Kritik an der neuen Reform kommt vor allem von der Union – doch auch die Arbeitgeber sind alles andere als zufrieden mit den Plänen der Ampel-Koalition. So sprach unter anderem Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger von einem falschen Signal an Bezieher kleiner Einkommen.
Doch auch beim neuen Bürgergeld sind auf längere Sicht wieder Sanktionen vorgesehen. So betonte SPD-Politiker und Arbeitsminister Hubertus Heil im Deutschlandfunk, dass das „Thema Mitwirkungspflichten“ auch künftig bleiben werde. „Aber das konzentrieren wir auf das, wo es notwendig ist“, so Heil, „Menschen, die chronisch keine Termine wahrnehmen, die haben auch mit Rechtsfolgen im neuen System zu rechnen. Aber der Geist des neuen Systems ist nicht der von Misstrauen, sondern von Ermutigung, von Befähigung.“
Text: red/su