Für viele Berliner ist der Lebensabend mit finanziellen Sorgen verbunden. Bild: IMAGO/Seeliger
Für viele Berliner ist der Lebensabend mit finanziellen Sorgen verbunden. Bild: IMAGO/Seeliger

Der 1. Juli wird ein guter Tag für Deutschlands Rentner. Dann steigen die Renten um 5,35 Prozent im Westen und 6,12 Prozent im Osten. Das ist die satteste Erhöhung seit Jahrzehnten. Und doch ist nicht allen Ruheständlern nach Jubeln zumute.

Immer mehr von ihnen leben in Armut oder sind davon bedroht. Gerade sie leiden besonders unter den steigenden Preisen für Wohnen, Energie und Lebensmittel.

Steigende Quoten

Laut Statistischem Bundesamt war die Quote der Armutsgefährdeten in der Gruppe der über 64-Jährigen zuletzt am größten. Zwischen den Jahren 2005 und 2019 lag der Zuwachs bei 4,7 Punkten. 2019 seien 15,7 Prozent der Menschen in dieser Altersgruppe armutsgefährdet gewesen.

Damit war die Quote fast so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Dort stieg der Anteil um 1,2 Prozentpunkte auf 15,9 Prozent. Von Armut gefährdet ist, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss. Bei einem Ein-Personen-Haushalt lag diese Grenze im Jahr 2019 auf Bundesebene bei 1.074 Euro im Monat. Berlin setzt einen Betrag von 1.004 Euro an.

Weibliches Gesicht der Armut

In der Hauptstadt stieg die Armutsgefährdung in der Generation 65plus um 7,4 Punkte auf 14,8 Prozent. Hier hat Altersarmut oft ein weibliches Gesicht. 54.000 Frauen über 65 Jahre sind laut Senat davon betroffen, berichtet rbb24.

Deutschlandweit lebt laut Statistischem Bundesamt jede sechste Frau über 65 Jahre unter der Armutsschwelle. Bei den Männern ist es jeder Achte. Laut einer Studie der OECD liegt die Rentenlücke zwischen den Geschlechtern in Deutschland bei 46 Prozent.

Anders gesagt: Deutsche Frauen bekommen im Schnitt nur halb so viel Rente wie Männer. In keinem anderen der untersuchten europäischen OECD-Mitgiedsstaaten ist diese Lücke so groß.

Hohe Lebenshaltungskosten

Wer seinen Lebensunterhalt im Ruhestand nicht selbst bestreiten kann, erhält die sogenannte Grundsicherung im Alter. Die Zahl der Empfänger hat sich zwischen der Einführung der Leistung im Jahr 2003 und dem Jahr 2019 bundesweit mehr als verdoppelt: von 258.000 auf 562.000. Das hat auch mit der wachsenden Zahl von Menschen im Rentenalter zu tun.

In den Stadtstaaten sind ältere Frauen und Männer besonders häufig auf Grundsicherung angewiesen. Ein Grund dafür dürften die höheren Lebenshaltungskosten sein. Mit 6,6 Prozent war die Quote der Empfänger von Grundsicherung im Alter in Berlin im Jahr 2019 überdurchschnittlich hoch. Unter allen Bundesländern war es der dritthöchste Wert.

Rente stärken

„Altersarmut ist ein Massenphänomen“, so der Sozialverband VdK. Die Bundesregierung müsse das Vertrauen in die gesetzliche Rente stärken anstatt auf private Vorsorge zu setzen. „Wir brauchen einen armutsfesten Mindestlohn von 13 Euro, damit alle Versicherten im Alter die Chance auf eine Rente oberhalb des Existenzminimums erhalten.“

Text: Nils Michaelis