Rund 60 Prozent der Zehnjährigen sind laut Forsa-Umfrage keine sicheren Schwimmer. Bild: IMAGO / Panthermedia
Rund 60 Prozent der Zehnjährigen sind laut Forsa-Umfrage keine sicheren Schwimmer. Bild: IMAGO / Panthermedia

Warum immer weniger Berliner Grundschüler sicher schwimmen und wo sie es lernen können.

Ausflug einer Berliner Schulklasse ins Schwimmbad. Adrian steht am Beckenrand und schaut verlegen nach unten. „Komm rein, du Angstschisser“, ruft Alex. Adrian fängt an zu weinen. Er kann nicht einfach so ins Wasser. Er kann nicht schwimmen.

36 Prozent der Drittklässler können nicht schwimmen

Damit ist er nicht allein. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Bildung hat sich die Nichtschwimmerquote in den dritten Klassen der Hauptstadt auf 36 Prozent erhöht. Das bedeutet: 20.000 Berliner Grundschüler können nicht schwimmen.

Ende des Schuljahres 2018/19 lag die Quote der Nichtschwimmer noch bei 16 Prozent. Ein Grundschullehrer in Wedding, den wir während einer Sportstunde im Park treffen, bestätigt diese Zahlen aus eigenen Beobachtungen: „Es sind jetzt viel mehr Kinder, die in der dritten Klasse ohne Vorkenntnisse in den Schwimmunterricht starten und das Schwimmabzeichen in Bronze dann nicht schaffen.“

Ab dem Bronzeabzeichen können Kinder sicher schwimmen. Das Seepferdchen ist kein Schwimmabzeichen in diesem Sinne.

Keine Möglichkeiten zum Schwimmen

Schwimmne ist eine Kulturtechnik und kann das eiegen und das Leben anderer retten. Bild: IMAGO / Panthermedia
Schwimmne ist eine Kulturtechnik und kann das eiegen und das Leben anderer retten. Bild: IMAGO / Panthermedia

Grund für diesen dramatischen Anstieg der Nichtschwimmer-Zahlen seien die Umstände während der Corona-Pandemie, vermeldet die Sportjugendabteilung des Landessportbunds Berlin e.V..

In Berlin sei man gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Bildung im Netzwerk Schulschwimmen eigentlich auf einem sehr guten Weg gewesen, um allen Kindern das Schwimmen beizubringen.

„In der Pandemie musste das Schulschwimmen ausfallen, Schwimmkurse und Vereinsangebote konnten nicht stattfinden und die Kinder waren in ihrer Freizeit weniger schwimmen. Das hat Auswirkungen“, sagt Sportjugend-Referatsleiterin Johanna Suwelack.

Die Schwimmintensivkurse wurden deshalb stark ausgebaut, um möglichst vielen Kindern das Schwimmen beizubringen. 2020 haben 4.800 Kinder mitgemacht, 2021 sogar mehr als 8.000.

Kurse sind schnell ausgebucht

In den Sommer- und Herbstferien wird es wieder Schwimmintensivkurse geben. Vier Wochen vor Ferienbeginn werden die Angebote auf der Website der Sportjugend veröffentlicht. Dann heißt es für Eltern schnell sein und anmelden, wenn die Kinder in der 4. bis 6. Klasse noch kein Bronzeabzeichen haben. „Die Grundschulen werden vorab informiert“, erklärt Suwelack.
www.schwimmkurse-sportjugend.de

Kurse in den Ferien

Auch die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) bieten jetzt mit Hochdruck Schwimmkurse an, um die bedrohlichen Nichtschwimmer-Zahlen zu senken. Auf der Website endet ein Versuch, einen Schwimmkurs für Kinder zu buchen, derzeit aber erfolglos. „Alle Kurse sind momentan ausgebucht“, bestätigt Sprecherin Claudia Blankennagel.

Es gibt jedoch wieder Kurse in den Sommerferien in zwei Durchgängen: Vom 11. bis zum 29. Juli und vom 1. bis zum 19. August. Wartelisten gebe es nicht, sonst könnten schnell Wartezeiten von mehr als ein oder zwei Jahren entstehen, so Blankennagel. Die Nachfrage sei aufgrund der Pandemie derzeit extrem hoch.

„Wir hoffen, dass wir ab September wieder Kurse auf Vor-Corona-Niveau anbieten können und dem erhöhten Bedarf damit stärker Rechnung tragen können“, erläutert die Sprecherin der Berliner Bäder-Betriebe.
www.berlinerbaeder.de/schwimmkurse

Geflüchtete werden Schwimmtrainer

Das Land Berlin tut einiges, um Kindern das so lebenswichtige Schwimmen beizubringen. Leider gibt es nur wenige geeignete Wasserflächen und zu wenige Trainer. Darum bildet der Landessportbund Berlin jetzt Geflüchtete zu Schwimmtrainern aus.

Seit dem vergangenen Schuljahr gibt es außerdem fünf Schulschwimmzentren in Berlin. In diesen unterstützen Trainer des Schwimm-Verbands die Sportlehrer beim Unterricht. Langfristig soll in jedem Bezirk ein solches Schulschwimmzentrum aufgebaut werden, sagt Johanna Suwelack.

Deutschlandweit mangelt es an Schwimmkursen

Nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland fehlt es – vor allem nach den zwei Jahren Corona-Pandemie – an Schwimmkursen. Daher startet die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) jetzt die Schwimmkampagne „Weil Schwimmen Leben rettet!“. Das Ziel: zusätzliche Anfängerschwimmkurse im ganzen Bundesgebiet. „Wir wollen möglichst viele Kinder in Deutschland zu sicheren Schwimmern machen“, so DLRG Präsidentin Ute Vogt. Angebote zu Schwimmkursen sind unter den jeweiligen Berliner Ortsgruppen der DLRG hier einsehbar.

DLRG bietet zusätzliche Kurse im Sommer

Mit dem Vorhaben knüpft die DLRG an ihre Kampagne aus dem vergangenen Sommer an. Damals nahmen rund 500 Ortsgruppen – das ist mehr als jede vierte des Verbandes – teil. Die örtlichen Vereine erhielten Unterstützung durch den DLRG Bundesverband, der Ausbildungsmaterial und finanzielle Mittel bereitstellte.

So konnten 2.000 zusätzliche Kurse mit 24.000 Teilnehmern durchgeführt werden. Am Ende standen 10.000 Seepferdchen- und 3.500 Schwimmabzeichen-Bronze (Freischwimmer) extra in der Bilanz der Schwimmausbilder.

Zahlen vor und nach Corona

Im vergangenen Jahr hat die DLRG in Berlin 259 Seepferdchen-Abzeichen ausgeben und 491 Schwimmabzeichen, davon 235 Freischwimmer/Bronze (Rest Silber und Gold). 1.108 Personen haben an Anfängerkursen teilgenommen. Im ersten „Corona-Jahr“ 2020 waren es 169 Seepferdchen und 398 Schwimmabzeichen (167 davon Bronze). Vor der Pandemie 2019 waren es noch 477 Seepferdchen und 1.204 Schwimmabzeichen (473 Bronze). Die Zahl der Teilnehmer in Anfängerkursen war damals doppelt so hoch.

Text: Sara Klinke