Vorbild für andere Kieze? In diesem Teil der Friedrichstraße sind Autos tabu. Bild: IMAGO/Hohlfeld
Vorbild für andere Kieze? In diesem Teil der Friedrichstraße sind Autos tabu. Bild: IMAGO/Hohlfeld

Flaniermeile statt Autopiste: Nach der Friedrichstraße nimmt Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch weitere prominente Einkaufsmeilen ins Visier.

Kaum ein anderes Berliner Verkehrsprojekt ist so umstritten: Seit Ende August 2020 ist die Friedrichstraße zwischen Leipziger Straße und Französischer Straße autofrei. Durch diese zunächst temporäre Regelung sollte die Straße wieder zur Flaniermeile werden. Außerdem erhofft sich die Senatsveraltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz Effekte für eine bessere Luftqualität und weniger Klimagase.

Die Aufenthaltsqualität auf der bei Radfahrern beliebten Piste lässt allerdings zu wünschen übrig. Auch die Händler zeigen sich bislang wenig euphorisch. Immerhin: Laut einer Erhebung hat die Besucherzahl in der Friedrichstraße zuletzt um 65 Prozent zugenommen.

Weitere Projekte

Diese Zahl spielt der zuständigen Senatorin Bettina Jarasch, die sich immer wieder „Bullerbü“-Vorwürfen ausgesetzt sieht, für die Planung weiterer autofreier Straßen in die Hände. Jarasch fasst hierfür innerstädtische Einkaufsmeilen wie den Hackeschen Markt und die Tauentzienstraße ins Auge.

Die Grünen-Politikerin kündigte für diesen Monat ein entsprechendes Konzept an, das bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag. Fest steht bereits, dass die Oranienstraße in Kreuzberg ab dem Jahr 2024 weitgehend autofrei wird. Um den privaten Autoverkehr auszusperren, wird die Straße umgebaut.

Temporäre Spielstraßen

Auch die Bezirke arbeiten an Konzepten, wie sie zeitweise oder dauerhaft Teile ihrer Quartiere autofrei gestalten können und so Anwohnern, Radfahrern und Fußgängern mehr Raum verschaffen.

Zu den bekanntesten Initiativen zählt das Projekt „Autofreier Wrangelkiez“. Hier finanziert die Senatsverwaltung eine Machbarkeitsstudie zur Umsetzung des Vorhabens. Um die Lebensqualität zu steigern, setzen einige Bezirke auf zeitweise eingerichtete Spielstraßen. Dazu zählt die Kreuzberger Böckhstraße.

Für manche Quartiere werden „Kiezblocks“ favorisiert. Darunter sind Wohnviertel ohne Kfz-Durchgangsverkehr zu verstehen. Die Organisation Changing Cities unterstützt Forderungen nach insgesamt 180 Kiezblocks in Berlin. Entsprechende Initiativen haben Anwohner unter anderem im Blumenviertel in Prenzlauer Berg, am Kranoldplatz in Neukölln und im Weddinger Malplaquetkiez gestartet.

Nachbesserungen gefordert

Doch wie viel „Bullerbü“ verträgt eine Millionenmetropole wie Berlin? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist vehement dagegen, das Stück in der Friedrichstraße, wie von Jarasch geplant, dauerhaft autofrei zu machen.

„Der Friedrichstraße ist mit diesem Modellversuch nicht geholfen“, so der verkehrspolitische Sprecher Oliver Friederici. Auch wegen der „Radautobahn“ sei nicht mal im Ansatz Verweilqualität entstanden.

Rückkehr der Autos

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) fordert ebenfalls Nachbesserungen in der autofreien Zone.Eine Rückkehr der Autos schließt sie laut einem rbb-Bericht nicht aus.

All das zeigt: Mit Blick auf die Friedrichstraße ist bei kommenden Vorhaben vor allem eine bessere Vorbereitung geplant, um die Akzeptanz unter den betroffenen Anliegern zu erhöhen und einen Interessenausgleich zu erreichen.

Text: Nils Michaelis