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Berlin im Griff der Preisspirale

Auf die Verbraucher kommt in diesem Jahr einiges zu. Bild: IMAGO/Wolfgang Maria Weber
Auf die Verbraucher kommt in diesem Jahr einiges zu. Bild: IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Die Energiepreise steigen schon länger. Wegen des Krieges in der Ukraine erreicht die Preisspirale allerdings ein ungeahntes Tempo. Bürger und Wirtschaft leiden unter der Entwicklung. Der Bund kündigt Entlastungen an.

Bei der Produktion von Paletten wird das Holz knapp. Einige der hierfür eingesetzten Holzsortimente kommen aus der Ukraine. Kleine Handwerksbetriebe, die ihre Vans mit Diesel betanken, zahlen im Vergleich zum Februar das Doppelte für eine Tankfüllung.

Das sind nur zwei von vielen Beispielen dafür, wie die Berliner Wirtschaft unter dem Krieg in Osteuropa, den Sanktionen gegen Russland und der galoppierenden Inflation leidet. 30 Prozent der von Berlin Partner befragten Firmen sind von Lieferkettenproblemen betroffen.

Ein Fünftel verzeichnet direkte Auswirkungen des Krieges auf den Umsatz. Viele Wirtschaftsvertreter befürchten zudem dramatische Folgen, sollten die Energiepreise weiter steigen.

Gaspreise steigen um 26 Prozent

Wie teuer werden Strom und Gas in diesem Jahr? Diese Frage treibt viele Menschen um. Schon vor der russischen Invasion waren die Preise auf ein Rekordniveau geklettert. Zum Jahreswechsel hat die Gasag die Gastarife um 16 Prozent angehoben.

Im Mai folgt eine weitere Steigerung. Dann zahlen Kunden im Schnitt 26 Prozent mehr. „Die erneuten Steigerungen der Energiepreise werden viele Verbraucher hart treffen“, räumt das Unternehmen laut einem rbb-Bericht ein.

Kunden, die in einer 50 Quadratmeter großen Wohnung leben und im Schnitt 7.000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, zahlten bis Ende 2020 rund 46 Euro pro Monat. Ab Mai dieses Jahres seien es rund 73,20 Euro.

2.000 Euro mehr im Jahr

Das Bundeswirtschaftsministerium schätzt, dass die Gasrechnung für eine Durchschnittsfamilie in einem unsanierten Einfamilienhaus im laufenden Jahr um etwa 2.000 Euro steigt. Der Gasag-Konkurrent Vattenfall hat noch keine Preissteigerungen angekündigt, hält sich bei der langfristigen Entwicklung allerdings alle Optionen offen.

Klar ist: Beim Thema Gas und Strom stehen die Zeichen auch weiterhin auf Teuerung. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) empfiehlt Kunden, nach Möglichkeit eine Reserve für hohe Nachzahlungen bei der Jahresabrechnung für 2022 zurückzulegen.

Wer knapp bei Kasse ist, sollte prüfen, ob er Anspruch auf Wohngeld hat, rät die Verbraucherzentrale Berlin. Haushalten, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, dürfe die Energie nicht abgedreht werden, so der VZBV, der ein Moratorium für Strom- und Gassperren fordert.

Entlastungen geplant

Unterdessen hat die Politik erste Entlastungen für Endverbraucher auf den Weg gebracht. Wohngeldempfänger sowie viele Studierende und Auszubildende sollen im Sommer einen doppelt so hohen Zuschuss zu den Heizkosten bekommen wie bisher geplant.

Der Bauausschuss im Bundestag hat entschieden, den einmaligen Zuschuss wegen der hohen Energiekosten für Wohngeldempfänger auf 270 Euro und für Studierende auf 230 Euro anzuheben. Zudem hat die Ampel-Regierung beschlossen, die Strompreis-Umlage zur Förderung Erneuerbarer Energien zum 1. Juli abzuschaffen.

Corona-Zuschlag für Bedürftige

Jetzt kündigte der Bund weitere Maßnahmen an. Dazu zählen Steuersenkungen für Fernpendler und Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmerpauschbetrag bei den Werbungskosten soll rückwirkend zum 1. Januar um 200 auf 1.200 Euro erhöht werden.

Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer wird um 363 auf 10.347 Euro angehoben. Fernpendler können rückwirkend zum Jahresanfang ab dem 21. Kilometer 38 Cent pro Entfernungskilometer geltend machen.

Dies war eigentlich erst ab 2024 vorgesehen und ist bis 2026 befristet. Hinzu kommt ein Corona-Zuschuss für bedürftige Erwachsene und ein Sofortzuschlag für Kinder.

Rabatt beim Tanken

Bundestag und Bundesrat müssen dem Paket noch zustimmen. Unklar bleibt, ob und wie Verbraucher unmittelbar bei den Spritpreisen entlastet werden sollen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat einen „Tank-Zuschuss“ ins Spiel gebracht. Demnach soll der Betrag beim Bezahlen abgezogen werden. Tankstellenbetreiber sollen die Quittung beim Finanzamt einreichen. Kritiker halten dieses Konzept für zu bürokratisch und sozial unausgewogen.

Entschieden ist in der Sache noch nichts. Offenbar ist sich die Ampel-Koalition uneins. Medienberichten zufolge hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Einführung eines Mobilitätsgeldes für Beschäftigte vorgeschlagen.

Demnach könnten Beschäftigte mit einem Einkommen bis zu 2.000 Euro zusätzlich zu ihrem Gehalt eine staatliche Leistung von 50 Euro erhalten, in der nächsten Stufe bis 3.500 könnten es 35 Euro sein und bei einem Einkommen von 4.000 Euro 20 Euro.

Verbrenner verbannen

Auch die Berliner Landespolitik sucht nach Lösungen, um mit steigenden Energiepreisen umzugehen. Mobilitäts- und Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) fordert mehr Tempo, um Autos mit Verbrennermotoren aus der Innenstadt zu verbannen. Hierfür peilt sie das Zieljahr 2030 an.

CDU-Chef Kai Wegner hat schon vor dem Ukraine-Krieg eine „Energiepreisbremse“ gefordert. Der Senat solle sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass für Energie und Kraftstoffe der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt. Ein ähnlich lautender Antrag der AfD-Fraktion wurde in die Fachausschüsse des Abgeordnetenhauses überwiesen.

Text: Nils Michaelis