Generationen von Wehrpflichtigen dienten in der Bundeswehr.Archivbild: IMAGO/photothek
Generationen von Wehrpflichtigen dienten in der Bundeswehr. Archivbild: IMAGO/photothek

Der Krieg in der Ukraine belebt die Debatte um eine Reaktivierung der Wehrpflicht in Deutschland.

Russlands Invasion in der Ukraine ist eine Zäsur für Europas Sicherheitsarchitektur. Plötzlich ist es wieder vorstellbar, dass ein Land das andere überfällt. „Wir sind heute in einer anderen Zeit aufgewacht“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am ersten Tag des Krieges.

Alte Gewissheiten wie die Unverletzbarkeit von Grenzen gelten nicht mehr. Wachen wir womöglich demnächst auf und es gibt wieder die Wehrpflicht? Weil keiner weiß, wo die Expansionslust von Russlands Präsident Wladimir Putin endet und vielleicht auch für Deutschland wieder eine militärische Gefahr aus dem Osten droht?

Die Konfrontation zwischen Nato und Warschauer Vertrag war der entscheidende Grund für die Wehrpflicht in Deutschland. Nach dem Ende des Kalten Kriegs kam die Politik zu einer anderen Bewertung. 2011 wurde sie außer Kraft gesetzt. Dies kann jederzeit geändert werden, zumindest theoretisch.

Neue Lage in Europa

Die Kämpfe an der Ostflanke der Nato sorgen für eine neue Lage. Je länger der Krieg andauert und je länger Putin dem Westen droht, dürfte die Debatte über eine Reaktivierung der Wehrpflicht an Fahrt gewinnen.

Aus der CDU kommen nun erste Stimmen, die ein Zurück zur Wehrpflicht fordern. Nach dem Angriff von Russland auf ein unabhängiges Land sei dies ein „entscheidendes Signal zur Sicherstellung einer wirksamen militärischen Abschreckungs- und Bündnisfähigkeit durch Deutschland“, heißt es in einem Positionspapier des niedersächsischen CDU-Chefs Bernd Althusmann, über das die „Welt am Sonntag“ berichtete.

Bleibt die Frage, inwiefern sich ein zunehmend irrational agierender Kremlchef von dieser Art der Abschreckung beeindrucken ließe. Abgesehen davon, dass Wehrpflichtige nicht mit kampferprobten Soldatinnen und Soldaten zu verwechseln sind. Erst nach mehreren Monaten Ausbildung sind Wehrdienstleistende auch nur ansatzweise einsatztauglich.

Bundeswehr nur bedingt einsatzbereit

Eine Renaissance der Wehrpflicht ist daher wenig geeignet, um der aktuellen Krise zu begegnen. Ohnehin wäre die Bundeswehr im Verteidigungsfall nur bedingt einsatzbereit. Jahrelang lag der Fokus auf Auslandseinsätzen wie in Afghanistan.

Die Ausstattung mit Waffen und Technik ist schlecht. Der Schützenpanzer Puma ist von Pannen und Fehlern geplagt. Auch viele Hubschrauber und Flugzeuge sind in miserablem Zustand. Es wird Jahre dauern, bis das 100-Milliarden-Programm der Bundesregierung für die Auf- und Nachrüstung der Bundeswehr Wirkung zeigt.

Vielleicht setzt sich am Ende wieder die vorherrschende Doktrin aus der Zeit des Kalten Kriegs durch: Dass es also nicht auf eine möglichst große Zahl von Soldaten und Panzern ankommt, sondern vor allem die nukleare Abschreckung zählt, um einen Angriff auf Deutschland und andere Nato-Staaten zu verhindern.

Text: Nils Michaelis