
Eine Jury hat aus zahlreichen Vorschlägen ihren Favoriten gewählt: Die Wissmannstraße soll künftig Baraschstraße heißen und an die von den Nationalsozialisten verfolgte beziehungsweise ermordete Familie Barasch erinnern.
Manchmal geht es ganz schnell. Nachdem das Bezirksparlament (BVV) den Prozess zur Umbenennung der Wissmannstraße ins Rollen gebracht hatte und alle Interessierten und Anwohnenden ihre Ideen für einen neuen Namen der Straße in Grunewald einbringen konnten, steht dieser nun bereits fest: Aus der Wissmannstraße soll die Baraschstraße werden. Bis zum 9. April wurden insgesamt 47 Namensvorschläge für eine Umbenennung eingereicht. Viele der zu ehrenden Persönlichkeiten lebten in Grunewald, in direkter Nachbarschaft zur Wissmannstraße oder sogar direkt in der Straße. Eine Jury besetzt aus Anwohnern der Wissmannstraße, Decolonize Berlin, Berlin Postkolonial und Vertretern der in der Bezirksverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen haben am 12. Mai über die Vorschläge beraten und sich für die Baraschstraße entschieden. Am 27. Mai muss nun noch die BVV darüber beraten.
Ermordung in Auschwitz
Mit dem Straßennamen soll das Ehepaar Irene und Arthur Barasch, das bis zu seiner Deportation beziehungsweise Flucht mit den Kindern Else und Werner in der Wissmannstraße 11 gelebt hat, geehrt werden. Irene Barasch-Haas arbeitete – bis zur ihrer Entlassung 1933 – als Professorin für fremde Sprachen und Phonetik an der Hochschule für Musik Charlottenburg. Sie und die Kinder konnten im Ausland überleben. Das Vermögen des Geschäftsmanns Arthur Barasch wurde zwischen 1940 und 1942 sukzessive beschlagnahmt. Am 6. November 1942 wurde er im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Nun erinnert neben einem Stolperstein vor dem Haus Nummer 11 auch der Straßenname an das Schicksal Arthurs und der Familie. „Auch, wenn die Jury sich nicht für einen Namen aus dem kolonialen Widerstand entschieden hat, freut es mich doch sehr, dass erneut an das vielfältige jüdische Leben und das Leiden der Menschen in Grunewald erinnert werden soll. Mit einer geplanten Stele an der neu benannten Straße soll aber auch an das Leid erinnert werden, dass Deutsche wie Hermann von Wissmann in den afrikanischen Kolonien über die Menschen gebracht haben“, erläutert die Vorsteherin der BVV, Annegret Hansen. Hermann von Wissmann war als Reichskommissar und Befehlshaber der ersten deutschen Kolonialtruppe unter anderem verantwortlich für die Niederschlagung des Widerstandes der ostafrikanischen Küstenbevölkerung.
Datum: 20. Mai 2021, Text: kr/red., Bild: IMAGO Stefan Zeitz