Roter Adler im Giebel

Unsere aktuelle Tour entführt uns in die alte Mitte von Berlin. Entdecker fahren am besten mit der U6 bis zum Bahnhof Kochstraße und begeben sich von dort auf architektonische Spurensuche. 

Das Hotel Roter Adler, auch bekannt als Michaelsen-Palais, in der Schützenstraße 6 stellt eines der bedeutendsten Beispiele deutscher Jugendstilarchitektur im Stadtzentrum von Berlin dar. Die imposante Fassade mit ihren floralen Ornamenten und den patriotisch anmutenden Skulpturen ist ein wahres Manifest dieses Stils. Unter den dort verewigten Charakteren sind im Schweifgiebel, knapp unter einem überlebensgroßen Gemälde des griechischen Gottes Hermes, insbesondere Karl der Große (links) und Kaiser Wilhelm I. (rechts) zu nennen.

Zwischen ihnen kämpft, in einer Plakette oberhalb eines Wappens, der heilige Georg gegen den Drachen, welcher das Böse beziehungsweise den „Erbfeind“ symbolisiert. Am rechten Rand des Giebels hebt sich deutlich die Büste des „Eisernen Kanzlers“ Otto von Bismarck ab. Auch dem reich verzierten Eingangsportal der Hausnummer 6 gebührt besondere Aufmerksamkeit. Mit seinen Säulen und den mittelalterlichen Elementen zählt es zu den schönsten der Stadt.

Finanzielle Gründe waren entscheidend

Das Gebäude wurde zwischen 1903 und 1907 nach Plänen des Berliner Architekten Otto Michaelsen erbaut. Den Auftrag dazu hatte er von dem Unternehmer Emil Voigt erhalten, der das Gebäude jedoch kaum ein Jahr nach Abschluss der Arbeiten aus finanziellen Gründen an die Schweizer Versicherungsgesellschaft Winterthur verkaufen musste. Im Zweiten Weltkrieg teilweise beschädigt, wurde es zu DDR-Zeiten von Mitarbeitern des Tief- und Straßenbauamtes genutzt und nach dem Mauerfall erneut von Winterthur beansprucht. Während einer umfassenden Sanierung zu Beginn der 2000er-Jahre wurde der im Krieg durch Bomben beschädigte Flügel (an der Ecke Charlottenstraße) wiederaufgebaut.

Gründliche Restaurierung

Nur wenige Meter vom Checkpoint Charlie entfernt steht ein aus holländischem Klinker gebautes und auf den ersten Blick unscheinbares Haus. An der Fassade gibt jedoch ein schmaler Fries Rätsel auf. Während der deutschen Teilung beherbergte das Haus die Redaktion der Ost-CDU-Zeitung „Neue Zeit“. Nach gründlicher Restaurierung erscheint das Haus, abgesehen von einem hinzugefügten Dachgeschoss, zur Zimmerstraße hin wieder im Originalzustand von 1914. Es war damals ein aufsehenerregender Bau, in Auftrag gegeben von der sephardischen Familie Alfandary, die weltweit im Import-Export-Handel tätig war.

Menschliche Figuren zu entdecken

Der deutsche Architekt John Martens, der den Bau ausführte, war Spezialist für Baukeramik und hatte diesbezüglich eine neue, besonders wetterfeste Herstellungsweise entwickelt, die am Alfandary-Haus bei den gebrannten Terrakotta-Elementen des Figurenfrieses zum Einsatz kam. Der Gestalter des Frieses, Hans Schmidt, setzte Figuren und Symbole wie Hieroglyphen nebeneinander. Die menschlichen Figuren – drei Frauen und ein Mann – sind liegend dargestellt, was durch den Mangel an Höhe bedingt ist. Sie wechseln rhythmisch mit Symbolen des Fleißes (Bienenstock) und des Überflusses (gefüllter Früchtekorb).

Die erste, neben einer Sonnenblume liegende Schönheit bekommt von einem Kind Blumen und einen Schoßhund gebracht. Die zweite hebt die Hand gegen einen Schwan (Leda?), die dritte scheint einen Ziegenbock (vielleicht einen Satyr) als Gegenüber zu haben. Als Symbol für eine göttliche Eingebung erscheint ein großer Kopf mit einem kleinen Kopf im Mund.

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