Für Survival-Experte Maurice Ressel ist die Vorbereitung auf einen Ernstfall
Für Survival-Experte Maurice Ressel ist die Vorbereitung auf einen Ernstfall "ganz und gar logisch". Foto: Lupus

Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine, Angriffen auf unsere Infrastruktur und drohender Energieknappheit ist das Thema “Preppen” in aller Munde. Doch die Vorsorge für den Ausnahmezustand zieht so manch schwarze Schafe an. Das weiß auch der Survival-Experte Maurice Ressel von der Jagd- und Wildnisschule Lupus.

Egal ob Nahrungsmittel horten, Schutzräume bauen oder sogar Schussübungen durchführen: Sogenannte „Prepper“ wollen für den Notfall stets bestens vorbereitet sein. Eine ganze Reihe von Youtubern wie Survival Mattin oder Fritz Meinecke machte das „Prepping“ als spezielle Art der Vorbereitung auf den Ausnahmezustand populär und selbst die deutsche Bundesregierung rät schon seit längerem zum Hamstern für den Notfall.

Was bedeutet „Preppen“?

Der Begriff “Preppen” kommt vom englischen Wort “prepare”, was “sich vorbereiten” bedeutet. Wer „preppt“, der bereitet sich ganz individuell, aber mit einer Reihe bestimmter Methoden und Techniken auf die unterschiedlichsten Notfälle und Krisensituationen vor. Dabei ist die Haltung eines Vorratslagers voll lebenswichtiger Güter erstmal nichts Neues.

Beispiel einer empfohlenen Notfallvorsorge für einen Haushalt. Foto: IMAGO / Jochen Tack
Beispiel einer empfohlenen Notfallvorsorge für einen Haushalt. Foto: IMAGO / Jochen Tack

Schon seit Jahrhunderten schaffen sich Menschen eigene Nahrungsmittelreserven an. Früher vor allem deshalb, weil sie ohne diese den Winter über hungern mussten oder sogar nicht überlebt hätten. Die “Prepper” des 21. Jahrhunderts haben allerdings andere Beweggründe – und finden aufgrund der Turbulenzen der vergangenen Jahrzehnte immer mehr Anhänger.

Die Vorbereitung für ein Leben als Selbstversorger umfasst heutzutage nicht selten auch eine autarke Wasserversorgung, Funkgeräte zur Kommunikation, genauestens vorbereitete Fluchtrouten oder Geheimverstecke. Prepper wollen schließlich auch auf die schlimmste Großkrise bestens vorbereitet sein.

Blackouts und andere Katastrophen

Doch wie kann so eine Großkrise eigentlich aussehen? Stürme, Hochwasser und Erdbeben werden Menschen seit jeher gefährlich. Die Wahrscheinlichkeit eines flächendeckenden Stromausfalls, also eines sogenannten Blackouts, ist in Deutschland und vielen anderen industriellen Ländern hingegen relativ gering – so dachte man bislang zumindest.

Eine Survival-Gruppe schlägt sich ihren Weg durch den Wald. Foto: Lupus
Eine Survival-Gruppe schlägt sich ihren Weg durch den Wald. Foto: Lupus

Doch erst vor wenigen Wochen warnte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) aufgrund der angespannten Lage bei der Energieversorgung vor Stromausfällen, die über das bisherige Maß hinausgehen. Ebenso für Verunsicherung sorgten zuletzt Angriffe auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn. Auch Cyber-Attacken wie etwa die auf Krankenhäuser in Frankreich häufen sich.

 

Notvorrat für zehn Tage

Was bislang für manche wie der Anfang eines dystopischen Thrillers klingen mag, wird, wenn auch etwas weniger dramatisch formuliert, sogar allen Bürgern vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ans Herz gelegt. Denn auch das BKK rät in seinem „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ zur Haltung eines ausreichenden Lebensmittelvorrats im eigenen Haus.

Vom Werbefotograf zum Wildnispädagogen

So ähnlich sieht das auch Maurice Ressel aus Eberswalde. Der 1981 in Münster geborene Wildnispädagoge gründete vor drei Jahren die Jagd- und Wildnisschule Lupus. Seitdem vermitteln er und sein Team aus Survival-Experten in Schulungen und Trainings ein umfangreiches Wissen rund um die Natur und das Leben in und mit ihr. Als eine der ersten Wildnisschulen in Deutschland ist Lupus BNE-zertifiziert (Bildung für nachhaltige Entwicklung) und legt einen besonderen Fokus auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen.

Der Survival- & Bushcraft-Trainer Maurice Ressel im brasilianischen Urwald am Amazonas. Foto: Lupus
Der Survival- & Bushcraft-Trainer Maurice Ressel im brasilianischen Urwald am Amazonas. Foto: Lupus

Ressel machte sich 2005 als Fotograf selbstständig. In den folgenden Jahren arbeitete und lebte er unter anderem in Schweden, Afghanistan, der Ukraine, Brasilien, Indien und Bangladesch sowie auf den Philippinen, wo er fotografisch das Leben der Menschen sowie die Natur dokumentierte.

Seine Arbeit als Werbefotograf hing er früh an den Nagel, um vor allem im Auftrag von Hilfsorganisationen zu arbeiten, einige seiner Reportagen sind preisgekrönt. Es war schließlich eine Expedition zu dem indigenen Volk der Wayapi am Amazonas im Jahr 2019, die Ressel dazu bewog, sich beruflich noch stärker mit dem Leben in der Natur zu befassen. Der Grundstein für seine eigene Wildnisschule war gelegt.

Kein Endzeitspielverein

„Nach all meinen Erlebnissen, die von Naturkatastrophen bis hin zu Krieg reichen, fiel mir die Rückkehr in die Stadt immer schwerer“, sagt Ressel. In Berlin fühlte er sich nach seinem Umzug vor einigen Jahren irgendwann nur noch tot. Er sah seinen Sohn in den Straßen voller Autos und Auspuffgassen aufwachsen und musste dringend raus: In das gut fünfzig Kilometer von Berlin entfernte Eberswalde, wo er und seine Familie vor drei Jahren ein neues Zuhause fanden.

„Wenn es knallt, wollen wir am Leben bleiben und unsere Familien schützen.“

„Prepping an sich hat eher wenig mit Natur zu tun, sondern viel mit Hard Skills und Rüstzeug gegen den Gau“, so Ressel. Dennoch würden sich die Gebiete natürlich überschneiden, der Schritt von der Wildnis hin zum Preppen sei nicht weit. Auch seine Wildnisschule Lupus bietet einige Workshops und Schulungen rund um das weite Feld „Survival“ an. Ein weitreichender Sammelbegriff, so Ressel, und Preppen sei eben ein Teil davon. Für ihn hat das vor allem mit einer schnellen Anpassung an jede erdenkliche Situation zu tun – besonders dann, wenn es gefährlich wird. „Wenn es knallt, wollen wir einfach am Leben bleiben und unsere Familien schützen“, so Ressel.

Maurice Ressel vermittelt in seinen Workshops viele wichtige Survival-Techniken. Foto: Lupus
Maurice Ressel vermittelt in seinen Workshops viele wichtige Survival-Techniken. Foto: Lupus

„Doch wir sind kein Endzeitspielverein“, sagt er, „sondern eine echte Umweltbildungsstätte. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Survival-Ansatz, den haben wir von den indigenen Völkern übernommen.“ Lupus habe als Wildnisschule auch einen starken pädagogischen Einfluss, das ist ihm wichtig. Denn „natürlich hast du in der Prepper-Szene schwierige Leute, doch die gibt es auch in ganz anderen Bereichen.“

Dennoch passen er und sein Team von Lupus genau auf, wer an ihren Schulungen und Workshops teilnimmt, schließlich sei für ihn die Vorbereitung auf schwierige Zeiten eine „feine und schlaue Sache“ und sollte nicht zum Tummelplatzen für „allerlei Idioten“ geraten. Schließlich sei das Leben schützenswert und niemand solle sich im Falle des Falles ausgeliefert fühlen, so Ressel.

„Wir sind kein Endzeitspielverein, sondern eine echte Umweltbildungsstätte.“

„Natürlich habe auch ich Essen, Wasser und alles mögliche hier, um zu überstehen, was auch immer da kommen mag oder nicht – doch ich erspinne mir keine dystopischen Zombie-Szenarien wie so viele Prepper in den USA.“ Nicht nur deshalb seien laut Ressel Prepper nicht gleich Prepper, er wisse schließlich nur allzu gut um den oft schwierigen Ruf der Szene.

Wenn die Hütte brennt, ist es zu spät

Ressel selbst rät aktuell jedem dazu, sich einen kleinen Vorrat anzulegen und ein paar Gedanken vorab zu machen. Er selbst mache das schließlich auch. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem großen Krisenfall kommt, kann ich nicht einschätzen“, so Ressel, „doch die kleinste Möglichkeit, dass eine Katastrophe passieren kann, reicht als Familienvater schon aus, damit ich mich zumindest theoretisch und auch ein bisschen praktisch vorbereite. Denn wie kann ich mir sicher sein, das nichts passiert? Also wappne ich mich, aus Fürsorge und nicht aus Angst.“

Sogenannte "Feather Sticks" ermöglichen die Verwendung von feuchtem Holz beim Feuermachen. Foto: Lupus
Sogenannte „Feather Sticks“ ermöglichen die Verwendung von feuchtem Holz beim Feuermachen. Foto: Lupus

Doch schlechte Nachrichten für alle Berliner: In einem Worst-Case-Szenario in der Stadt zu sein, ist laut dem Survival-Experten die Hölle. Schließlich muss man da erstmal irgendwie rauskommen. Doch Ressel rät: „Schaut einfach schon vorher mal, wie ihr von A nach B kommt. Hauptverkehrswege sind immer eine schlechte Idee, ganz besonders per Auto – dann fährst du in einen Stau rein und stehst da. Besser ist es zu Fuß, so plane ich immer.“

„Sich über Lösungen erst Gedanken zu machen, wenn die Hütte brennt“, ist laut Ressel ein bisschen spät. „Es ist extrem wichtig, die Katastrophe schon herannahen zu sehen, erst zu reagieren, wenn sie im Gange ist, ist zu spät. Die Lage vorher zu erahnen und dann Plan A, B, oder C in Kraft treten zu lassen – das ist wichtig.“

„Es ist wichtig, die Katastrophe schon herannahen zu sehen.“

Ebenfalls eine gewisse Rolle spielt da die Ausrüstung, sagt er. Seien das eine Lampe, ein Messer oder Tabletten zum Reinigen von Wasser – alles am besten immer griffbereit, schaden kann es nicht. Das Vorbereiten auf einen Ernstfall findet Ressel „ganz und gar logisch“. Im schlimmsten aller Fälle will er nicht auf Hilfe hoffen, sondern selbst die Lösung haben.

„Jeder sollte sich vorbereiten, der Leitfaden der Bundesregierung kann da schon eine gute Grundlage sein“, sagt er. „Dazu noch ein paar Ausrüstungsgegenstände, mit denen sollten man jedoch auch umgehen können“, davon ist Ressel überzeugt.

Gewisse Pflanzen sind als Notnahrung essbar. Foto. Lupus.
Einige Pflanzen sind als Notnahrung essbar – man muss nur wissen, welche genau. Foto. Lupus.

Schwarze Schafe in der Szene

Weniger überzeugt ist der hingegen von den Anfangs erwähnten Youtubern und dem um sich greifenden Survival-Trend auf der Videoplattform: „Wenn man nach Survival googelt, sind die ersten zehn Seiten nur Produkte, weil die alle wie wild dafür werben. Viele davon bringen die Begrifflichkeiten durcheinander und reiten auf jeder Welle mit, haben aber oft wenig Ahnung von der Materie. Und Prepping bringt eben Klicks. Viele Leute machen das, weil sie den Leuten ihre Produkte andrehen wollen. Viel wichtiger ist aber: Je mehr du weißt, desto weniger musst du tragen und benutzen“, so Ressel. „Das alles geht mir gegen den Strich, dafür nehme ich das Thema Umweltbildung viel zu ernst.“

Ebenfalls äußerst kritisch betrachtet der Wildpädagoge die Prepping-Szene in den USA, die auch hierzulande sehr stark das Image der Krisenvorsorger mitprägt und oft weit über das eigentliche Ziel hinausschießt. „Die Prepper in den USA sind teils echt krass“, sagt Ressel. „Das geht schnell in Richtung Milizbildung und Schusswaffengebrauch. Die bereiten sich auf den Tag vor, wenn nichts mehr geht und der Staat zusammenbricht, bunkern eben nicht nur Nahrung, sondern auch Waffen“, so Ressel.

„Viele Prepper in den USA erzählen sich selbst eine ganz krasse Geschichte.“

„Das sind oft Leute, die sich selbst eine ganz krasse Geschichte erzählen und kaum Vertrauen in Staat und Politik haben“, sagt er. „Natürlich kann es Blackouts geben, doch was dann passiert, hängt davon ab, ob man der Wissenschaft glaubt oder seinen eigenen Horrorgeschichten.“ Nicht wenige Prepper in den USA tendieren laut Ressel leider zu Letzterem.

Text: Sascha Uhlig